Der nachfolgende Bericht über die Feier zum 100-jährigen Jubiläum der Firma Wilhelm Scheel Chemische Fabrik Rostock wurde von Karla Scheel erstellt. Sie ist die jüngere Schwester des damaligen Firmeninhabers Werner Scheel, sie lebte 1957 in Berlin-Wilmersdorf ebenso wie ihre ältere Schwester Elisabeth Betche geb. Scheel.
Werner Moennich (Ururenkel von Wilhelm Scheel)
100 Jähriges Geschäftsjubiläum 14. September 1957
Durch besondere Vermittlung des Präsidiums der Handelskammer erhielten meine Schwester Elisabeth Betche geb. Scheel und ich ausnahmsweise die Erlaubnis als Westberliner in die DDR einzureisen und wir waren glücklich an der Familienfeier teilnehmen zu können. Es waren also alle 3 Geschwister und damit unsere Generation vollzählig anwesend.
Gerne führe ich die Tradition unserer Mutter fort, die über alle besonderen Ereignisse unserer Familie berichtete.
Mit als erste Gratulanten überreichten die beiden 3 und 5 jährigen Enkelinnen eine Serie von Kinderbildern durch Margarete Brauer.
Es begann am 13. September mit einer Betriebsfeier im Weißen Kreuz für 27 Personen, zu der auch die Genehmigung für Musik und Tanz erteilt wurde. Da die Hilfskräfte der Inhaberin, Toni Stange, einen nicht aufschiebbaren Urlaub angetreten hatten musste das Festessen: bestehend aus Fleischbrühe, Schweinebraten mit Rotkohl und Pudding bei Scheels im Haus gekocht und ins Gasthaus gebracht werden. Frau Martens und die weiblichen Angestellten sorgten für die Bedienung. Es herrschte eine fröhliche Stimmung bis nachts ½ 2 Uhr, einige Unentwegte hielten bis ½ 4 Uhr durch.
Am nächsten Morgen wurde schnell das Schlafzimmer meines Bruders ausgeräumt und eine lange Tafel gedeckt, ebenso wie auch im Wohnzimmer und bald erschienen die ersten von den ca. 60 persönlichen Gratulanten.
Die Zimmer, die Diele und das Kontor füllten sich bald mit Blumenspenden; Körbe, Schalen und Sträuße gestalteten die Feier sehr festlich, daneben kamen viele Zeichen des Gedenkens von außerhalb, unter anderem aus
Hamburg: von dem alten Lieferwerk Mineralölwerke Albrecht & Co.
Düsseldorf: vom ehemaligen Lehrling Bankdirektor H. Lüders
Freital aus Dresden: von R. Wehner
Garding/Holstein: von der Witwe des Walter Scheel, gestorben 1956 in Canada
Berlin: die jetzige Frau Wäsche, damals Braut von Julius Scheel (Erg.: gefallener Sohn von Werner Scheel), ließ als gemeinsamen Festbeitrag auch von ihrem Mann und den Eltern Hoppe 10 Fl. Sekt überreichen.
Sibrand (Erg.: Prof. Dr. Ing. und ältester Sohn von Werner Scheel) hatte ein wunderschönes Album zusammengestellt mit Photokopien alten Aufnahmen der Fabrik, ausgebombter Baulichkeiten und neuen Aufnahmen, die den derzeitigen Stand des Betriebes darstellen.
Wir beiden Schwestern aus Berlin hatten die Bilder der 4 Generationen des Geschäftsinhabers für das Kontor als Gesamtbild überreicht und einen Bericht unserer Mutter über die vorangegangenen Jubiläen.
Unter den persönlichen Gratulanten sind besonders zu erwähnen:
der Oberbürgermeister der Stadt Rostock, Wilhelm Sollisch
der Bezirksdirektor der Industrie- und Handelskammer, Klaus Jürgen Ebelt
der Direktor der Bank für Handel und Gewerbe, Richter.
Die gesamte Rostocker Sport-Ruderei ließ es sich nicht nehmen ihrem Nestor im Sport und mit Skulls bewaffnet ein kräftiges "Hipp, Hipp, Hurra" auszubringen.
Bis etwa ½ 3 zogen sich die Besuche hin, teilweise waren sämtliche verfügbaren Sitzgelegenheiten belegt. Es wurde über die Besucher, Blumenspenden, Telegramme und Briefe gesondert Buch geführt.
Abends 7 Uhr versammelten sich die engere Familienmitglieder, die sich in die Gästeliste eingetragen haben zum Abendessen: Fleischbrühe, Pastete mit Hühnerragout, Kalbsbraten mit verschiedenen Gemüsebeilagen, Zitronencreme mit Schlagsahne.
Die Stimmung war besonders vergnügt und manche alten Erlebnisse im Kontor, zur Zeit des Pfingstmarktes, Briefe von früheren Lehrlingen trugen zur Erheiterung bei.
Gern gedachten wir unseres alten Großvaters, des Gründers der Firma sowie unserer Eltern mit Geschwistern und tranken einen Schluck stillen Gedenkens auf die verstorbenen Familienmitglieder:
Rolf Betche (Erg.: am 15. Sept. 1939 bei Warschau gefallener 2. Sohn -20 Jahre- von Elisabeth Betche),
Wilhelm Betche(Erg.: am 18. Mai 1941 in Rostock verst. Ehemann -61Jahre- von Elisabeth Betche),
Werner Betche(Erg.: am 12.Feb. 1942 bei Kamenka gefallener 1. Sohn -27 Jahre- von Elisabeth Betche),
Erich Scheel(Erg.: am 18. Dez. 1942 im Osten gefallener Vetter -30 J. - von Werner Scheel u. Schwestern),
Julius Scheel (Erg.: am 20. April 1944 bei Narwa gefallener 2. Sohn -28 Jahre- von Werner Scheel),
Vera Scheel (Erg.: am 3. Dezember 1950 in Rostock verstorbene Ehefrau -63 Jahre- von Werner Scheel).
Karla Scheel
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