"Rostocker Osthafenkurs"
von Hans- Werner Bohl; Rostocker Zorenappels 2; Verlag Redieck & Schade
Motorsport zählt heute mehr denn je zu den publikumswirksamsten Sportarten, besonders die Übertragungen von Formel-I-Rennen sind nach wie vor - auch ohne Michael Schumacher - Sendungen mit höchsten Einschaltquoten. Da mag es nur wenigen bekannt sein, dass auch Rostock einst Austragungsort von Autorennen bis hin zur Formel II war. Die Rennstrecke war seinerzeit ein 4,6 Kilometer langer Rundkurs im Osten der Stadt. Die Strecke führte über Gutenbergstraße, Hinrichsdorfer Straße, Dierkower Damm und Petridamm. Fahrerlager, Boxen, Start und Ziel befanden sich in der Gutenbergstraße an der Schule. Sogar Namen für die Kurven gab es. So hieß zum Beispiel die Kreuzung Gutenberg-lHinrichsdorfer Straße "Kurve der Jugend", vom Petridamm in die Gutenbergstraße gab es die "Kurve des Friedens". Am 20. April 1952 war die Einweihung der Rennstrecke mit dem ersten Lauf der DDR-Straßenmeisterschaft für Motorräder und Wagen vor 100.000 Zuschauern. Höhepunkt der Veranstaltung war der Lauf der Formel-II-Wagen, den der damals sehr bekannte Paul Greifzu aus Thüringen mit seinem Eigenbau und einem Streckenrekord von 111,44 Stundenkilometern für sich entscheiden konnte. Ein Jahr später fand am 28. Juni 1953 das zweite Rostocker Osthafenkursrennen statt. Wegen des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni und dem damit vom sowjetischen Militärkommandanten Oberst Barinow für Rostock verhängten Ausnahmezustand konnte das Rennen erst eine Woche später beginnen.
Und so verkündete dann die Ostsee-Zeitung am 25. Juni: "In der Stadt der Werften wird am kommenden Sonntag unsere Industrie mit ihren Wagen, Maschinen und Reifen Zeugnis ablegen vom Können unserer Techniker, Ingenieure und Facharbeiter. Es ist alles getan, damit die Bevölkerung bei dieser Veranstaltung Freude und Entspannung findet". Der 1953er Osthafenkurs hatte sieben Rennen, davon fünf für Motorräder und eins für Sportwagen sowie eins für Formel-III-Wagen. In der Formel III siegte Kurt Ahrens aus Braunschweig mit 108,68 Stundenkilometern Durchschnittsgeschwindigkeit, bei den Sportwagen gewann Richard Trenkel aus Bündheim auf Porsche mit der Durchschnittsgeschwindigkeit von 109,195 Stundenkilometern. Am 4. Juli 1954 gab es nochmals ein Rennen "Rund um den Rostocker Osthafenkurs". Schon vor acht Uhr morgens pilgerten die ersten Rostocker in Richtung Petritor, darunter ganze Familien mit Klappstühlen und reichlich Proviant für den ganzen Tag. Sonderzüge brachten Tausende aus der näheren und weiteren Rostocker Umgebung. 50.000 Zuschauer sahen fünf Rennen, zwei davon für Sportwagen. Bei den Lizenz-Sportwagen bis 1.500 ccm gewann wieder der westdeutsche Meister und Vorjahressieger Richard Trenkel. Es war das letzte dieser Art, danach sah Rostock keine Autorennen mehr. Wer heute die alte Rennstrecke befährt, sollte sich an die vorgegebenen Geschwindigkeiten halten, Rennen sind hier Geschichte.
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