Schule in Brinckmansdorf
von Jürgen Voß
Vor 1945 gingen Brinckmansdorfer Schüler überwiegend in Schulen des Stadtzentrums – vor allem zur Altstädtischen Knabenschule und Altstädtischen Mädchenschule.
Alte Brinckmansdorfer wie Herr Flick haben über diese Zeit und die Probleme der Schüler aus Brinckmansdorf z.B. in den Beiträgen "Die Entstehung eines Wohngebietes am Ostrand von Rostock" und "Wohnen in Brinckmansdorf - 1933 bis zum Kriegsende" berichtet.
Nr. |
Objekt |
von |
bis |
Bemerkung |
1 |
1 Klassenraum bei Hahn, Tessiner Straße 101 |
1.9.1946 |
vor 1949 |
Privathaus |
2 |
1 Klassenraum bei Doll, Tessiner Straße 58 |
6.12.1946 |
vor 1949/50 |
Privathaus |
3 |
Baracken im Stadtpark
1. Baracke
2. Baracke |
1947
1952 |
1965
1979 |
- 1948 1 Pionierraum/ Klassenraum
- 1958 auch Hort
- 1960 je 1 neuer Klassen- und Hortraum |
4 |
Schule im Wossidlo-Park "John-Brinckman-Schule" Grundschule "John Brinckman" |
1.9.1965
1968
2003 |
1968
2003 |
2009/10 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. |
5 |
Schulhort |
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Später abgerissen. |
6 |
Turnhalle
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1.9.1981 |
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2009/10 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. |
7 |
Schulspeisung im Schweizerhaus |
vor 1975 |
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Das Schweizerhaus wurde später abgerissen. |
Den Schulkindern der umliegenden Dörfer erging es ähnlich, aber es gab auch Schulen, wie z. B. in Pastow.
Nach 1945 verschärfte sich die Schulsituation insbesondere dadurch, dass in Brinckmansdorf und den umliegenden Dörfern viele Aussiedlerfamilien aus den deutschen Ostgebieten aufgenommen werden mussten.
Aktive Menschen, wie z.B. der Lehrer Emil Dolenga, stellten sich den Aufgaben und organisierten mit vielen Schwierigkeiten und großem Engagement in Brinckmansdorf eine Schule.
Über die Anstrengungen und Geschehnisse unmittelbar nach Kriegsende und der Jahre bis zum Schuljahr 1956/57 berichtet er 1956 in Aufzeichnungen, die hier in einem ersten Beitrag weitgehend wiedergegeben werden sollen.
Er beschränkt sich dabei nicht nur auf die Schule, er geht auch auf die Nachkriegssituation und die Bürger in Brinckmansdorf ein. Gleichzeitig erfährt man auch etwas darüber, wie die Lehrerausbildung in den Anfängen war und welche Probleme zu lösen waren.
Erinnerungen des Lehrers Emil Dolenga zu den Anfängen der Schule in Brinckmansdorf
von Emil Dolenga, 1956
Brinckmansdorf, nach John Brinckman benannt und die Straßennamen seinem Werk "Kasper Ohm un ick" entnommen, ist erst nach dem 1. Weltkrieg entstanden. Zunächst wurden die Häuser an der Tessiner Chaussee errichtet. Die übrigen Teile der Siedlung sind erst in der Nazizeit entstanden. Heute (1956) noch trifft man auf Rostocker Bürger die noch nie in Brinckmansdorf waren. Das Schweizerhaus kennen sie sehr gut, daß es in Brinckmansdorf liegt, wissen sie nicht. Die Straßennamen muß man jedem, den es angeht, buchstabieren, besonderen Interessenten auch deuten.
An die Errichtung einer Schule hat gewiß niemand gedacht und sie wäre wahrscheinlich heute noch nicht da, hätte nicht die Not der Zeit die Veranlassung zu ihrer Entstehung gegeben.
Der 2. Weltkrieg hat wie überall, so auch auf dem Schulgebiet ein Chaos hinterlassen. Im September 1945 wurden die Schulhäuser soweit sie nicht den Bomben zum Opfer gefallen waren, durch die Lehrkräfte entrümpelt, gesäubert und für den Unterricht vorbereitet. Aus einseitig beschriebenen, meist vom Flughafen Heinkel stammenden Akten fertigten die Lehrkräfte Hefte für die Schüler an. Dieses Papier diente lange dem amtlichen Schriftverkehr und der Lehrerschaft zur Anfertigung aller schriftlichen Arbeiten. Zugleich wurden Kurzkurse von vierwöchiger Dauer zur Ausbildung von Neulehrern eingerichtet. Die Bewerber kamen aus allen Schichten der Bevölkerung. Es konnte natürlich nicht ausbleiben, dass viele von ihnen für den Lehrerberuf völlig ungeeignet waren und ihnen daher bald nahegelegt worden ist, sich nach einem anderen Beruf umzusehen. Andere haben der systematischen Vorbereitung von zweijähriger Dauer nicht standgehalten und schieden aus und ein Teil ist bei der ersten bzw. zweiten Lehrerprüfung durchgefallen. Allmählich fanden sich die Absolventen der Pädagogischen Fakultät und auch die Absolventen der Lehrerbildungsanstalten in Neukloster und Güstrow ein. Soweit nicht früher schon, wurden alle Altlehrer, die der NSDAP angehört haben und das waren 82,5 % im März 1946 entlassen und früher oder später vor eine Entnazifizierungskommission gestellt. Die Auserwählten erhielten von Ministerialdirektor Manthey, einem früheren Stettiner Mittelschullehrer, die Einstellungsurkunde. In den nachfolgenden Jahren wurden alle Altlehrer, soweit sie dem Beruf nicht fernbleiben wollten, wieder eingestellt. Trotzdem war immer ein fühlbarer Lehrermangel vorhanden, nicht zuletzt wegen starker Abwanderung nach Westdeutschland.
Nach Auflösung aller Hilfsschulen, also auch der Marien-Hilfsschule in Rostock im Herbst 1946, wo ich seit September 1945 angestellt war, waren die Vorbereitungen für eine Behelfsschule in Brinckmansdorf so weit vorangetrieben, daß am 1. September die Schule durch den damaligen Schulrat Nehls eingeweiht werden konnte.
Die Altlehrerin Mejer, z. Zt. (1956) an der Altstädtischen Schule II angestellt, hat einzelnen Kindern in ihrer Wohnung Unterricht erteilt.
Seit längerer Zeit stand ich in Verhandlungen mit dem Besitzer des Schweizerhauses Alm, verhalf ihm auch teilweise zur Erlangung von Material für einen Bühnenanbau, den er mir nach Fertigstellung zur Einrichtung eines Schulraumes überlassen sollte.
Inzwischen bot sich Gelegenheit, bei dem pensionierten Postmeister Hahn 2 Wohnzimmer zu mieten, für den monatlichen Preis von 65, - DM. Der Bauunternehmer Bölt erhielt den Auftrag, aus den beiden Zimmern einen Raum herzustellen. Auf den Stützbalken ließ ich folgende Inschriften anbringen. Vorderseite: "Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir". Rückseite: "Heiterkeit ist der Himmel unter dem alles gedeiht, Gift ausgenommen". Die notwendigsten Ausstattungsgegenstände - Bänke, Wandtafel - Schrank wurden durch Vermittlung der Schulverwaltung aus Überbeständen anderer Schulen beschafft. Schon nach Ablauf eines Jahres hat sich in der Nordwestecke des Raumes altvorhandener Schwamm bemerkbar gemacht. Das Bauamt, unter der Leitung von Herrn Schmidt, hat sich bereit gefunden, den Schwamm unter erheblichen Kosten zu beseitigen.
Die Eltern in Brinckmansdorf, Kassebohm, Rieckdahl und Neu-Roggentin, unter ihnen besonders die der Schulanfänger waren glücklich, daß sie nun eine Schule am Ort hatten. War die Bekleidung im Allgemeinen jämmerlich, so war die Fußbekleidung katastrophal. Verschiedene Schüler und das waren meist Flüchtlingskinder, konnten im Winter auch den kurzen Schulweg nicht zurücklegen, weil sie überhaupt keine Fußbekleidung hatten. Im Sommer sah man bei Frauen selten Strümpfe. Barfuß in Holzpantoffeln sah man Frauen und Männer herumlaufen. Bei Lehrern wirkte diese Fußbekleidung besonders auffallend. Die Bekleidungsstücke aller Art wurden vorwiegend aus Decken hergestellt.
Am 02.09.1946 rückten 114 Schüler der Jahrgänge 38/40 heran. Sie wurden auf die Klassen 1a, 1b und 1c aufgeteilt. Fräulein Bartmann, Flüchtling aus Schneidemühl, angestellt in Hinrichshagen, eine voll ausgebildete und tüchtige Lehrkraft wurde an die Schule berufen und erhielt eine Wohnung im Hause Peter Lurenzweg 3.
Der Schulbeginn begann mit einer Feier. Schulrat Nehls begrüßte die Kinder und die Eltern. Im Schweizerhaus fand die Feier der Zeit entsprechend ihren Fortgang. Die 3 Klassen erhielten in 3 Schichten Unterricht. Die notwendigsten Lehr- und Lernmittel habe ich aus anderen Schulen beschafft. Es kostete viel Mühe und Geduld, besonders überalterte Kinder, die so viel Schreckliches erlebt haben, an die Schulordnung zu gewöhnen. Manche unter ihnen kannten nicht den Unterschied zwischen "mein und dein". Sie waren verängstigt, verschlagen und mißtrauisch. Schon nach etwa 14 Tagen erzählte Schulrat Nehls, als ich dienstlich bei ihm zu tun hatte, daß eine Anzeige gegen mich eingegangen sei, folgenden Inhalts: "Der Lehrer Dolenga will den alten preußischen Militärdrill bei uns einführen. Er läßt die Kinder an sich vorbeidefilieren und läßt Ehrenbezeugungen machen mit Handanlegen." Nach der Herkunft dieser Denunziation befragt, erzählte der Schulrat, daß sie von der Partei käme, welche Partei es war, hat er nicht verraten. Zugleich bemerkte er, daß ich mich darüber hinwegsetzen und die Kinder weiterhin zum höflichen Grüßen erziehen möchte. Nach etwa weiteren 14 Tagen erzählte er beiläufig, daß eine weitere Denunziation gegen Fräulein Bartmann eingegangen sei. Man beklagte sich über sie, daß sie undankbar sei, insofern, als sie sich außerschulisch zu wenig beteilige. Als ich ihr diese Mitteilung machte, bemerkte sie: Ach, so geht es hier zu! Am nächsten Tage setzte sie sich mit ihrer Mutter nach dem Westen ab. Nun unterrichtete ich die 3 Klassen bei einer kurzen Mittagspause von 8 -16 Uhr.
Inzwischen wurde der Raum Tessiner Str. 58, ehemals ein Kohlenlager von Hermann Doll, zuletzt Aktenraum von Heinkel, zu einem Schulraum ausgebaut.
Am 06.12.1946 überwies uns die Altstädtische Schule 66 zu unserem Schulbezirk gehörige Kinder. Der hiesige Parteivorstand der SED war vollzählig, die Elternschaft zum größten Teil erschienen. Der Schulrat schickte mir im letzten Augenblick die Nachricht, daß ich ihn bei der Einweihungsfeierlichkeit vertreten möchte. Ich setzte an den Anfang meiner Ausführungen das Wort: "Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und neues Leben blüht aus den Ruinen." Vier neue Lehrkräfte fanden sich ein, Kollege Alfred Fiebig, geb. 1897 als Sohn eines Eisenbahnbeamten, hat das Lehrerseminar in Liegnitz besucht, im Herbst 1920 die 1. Lehrerprüfung abgelegt und wandte sich, wie viele Junglehrer nach dem 1. Weltkrieg, wegen Mangel an Lehrerstellen anderen Berufen zu und war vor Ausbruch des 2. Weltkrieges Kassenführer bei der ev. Kirchenverwaltung in Berlin. Er hat den 1. und den 2. Weltkrieg mitgemacht. 1945 trat er in den Schuldienst ein, wurde in Warnemünde angestellt und bat um seine Versetzung nach Brinckmansdorf. Max Gerson, Sohn eines Glasers in Rostock, besuchte hier die Volksschule und legte nach seinen Angaben am 31.03.1940 die Gesellenprüfung im Schneidergewerbe ab. Von verschiedenen Seiten wurde erklärt, er sei bei dieser Prüfung durchgefallen. Bis 31.01.1946 war er Schneidergeselle. Dann will er einen Kurzlehrgang absolviert, eine Lehrprobe gehalten und eine methodische Arbeit geliefert haben. Er beherrschte weder die deutsche Sprache noch die Orthographie. Seinem erlernten Beruf blieb er insofern treu, als er außerhalb der Schulzeit bei den Bauern in Rieckdahl nähte, gut aß und trank. Er machte gern Hausbesuche, besonders zur Mittags- und Abendbrotzeit. Im Alter von 20 Jahren war er verheiratet. Seine Frau, Magda Gerson, Tochter eines hiesigen Kaufmanns, besuchte die Mittelschule, die Kaufmännische Berufsschule, legte 1942 die Handlungsgehilfenprüfung ab und war bis März 1945 Kontoristin. Nach Absolvierung eines Kursus von 4 Wochen wurde sie Lehrerin und kam mit ihrem Mann zusammen am 06.12.1946 an die Schule in Brinckmansdorf. Sie kümmerten sich wenig um den Stundenplan. Wenn Frau G. ihren Dienst beendet hatte, schickte Max seine Kinder auch nach Hause und umgekehrt, ohne zu melden. Natürlich mußten diese beiden Lehrkräfte versetzt werden. Sie kamen zur Altstädt. Schule. Frau G. ließ sich von ihrem Mann scheiden und trat nach etwa 2 Jahren aus dem Schuldienst aus. Sie wurde wieder Kontoristin. Max ging auf das Pädagogium nach Putbus, um Russischlehrer zu werden, aber er schaffte das Pensum nicht und wurde in Gubkow angestellt. Angeblich hatte er inzwischen verschiedenes "auf dem Kerbholz" und setzte sich daher nach dem Westen ab.
Margot Look, geb. 21.02.1928 als Tochter eines Drechslermeisters in Köstin, besuchte dort die Volksschule und die Höhere Handelsschule und hier einen viermonatigen Kursus. Trotz ihrer Jugend und ihrer unzureichenden Vorbildung hat sie sich recht gut bewährt. Beim Holzwerben in der Rostocker Heide (jeder für seinen Bedarf) erspähte sie der Forstaufseher Glasow. Im Sommer 49 heiratete sie, zog nach Graal und trat nach etwa einjähriger Unterbrechung wieder in den Schuldienst ein.
In den 2 Schulräumen mußten 211 Kinder unterrichtet werden, die auf 6 Klassen verteilt wurden,
Klasse 1a, 1b und 1c je 38,
Klasse 2 = 24,
Klasse 3 = 36 und
Klasse 4 = 37.
Unterrichtet wurde durchgehend von 8 bis 18 Uhr bei voller Stundenzahl.
Da uns kein Raum für die Aufbewahrung des Brennmaterials zur Verfügung stand, wurde das im Park frisch eingeschlagene Holz im Vorraum zum Schulraum aufgestapelt, so daß nur ein ganz schmaler Durchgang zum Klassenraum übrig blieb. Schon nach kurzer Zeit fing das nasse Holz an zu schimmeln. Gemeinsam mit den Kindern haben wir es auf dem Hof des Hausmeisters und Hausbesitzers Busch aufgestellt. Übermäßige Wärme konnte mit diesem Holz gewiß nicht erzeugt werden.
Neue Schulbücher sind inzwischen herausgegeben worden. Von Zeit zur Zeit fanden Kontrollen der Büchertaschen auf Naziliteratur statt. Hefte wurden in beschränkten Mengen durch die Schulen für 0,15 DM das Stück ausgegeben, desgleichen Schuhbezugsscheine zunächst für Strohschuhe, später für Fußbekleidung aller Art. Das war eine undankbare Aufgabe. Jede Mutter glaubte, ihr Kind müßte an erster Stelle bedacht werden. Vorübergehend wurde die Verteilung der Scheine dem DFD übertragen. Doch bald wurden schon Rufe aus der Bevölkerung laut, die Ausgabe wieder in die Hände der Schulleitung zu legen. Seit Wiederaufnahme des Unterrichts im September 1946 mußte eine strenge Läusekontrolle durchgeführt werden. An jeder Schule erhielt eine Lehrkraft den Auftrag, von den Klassenleitern das Ergebnis der Kontrollen entgegenzunehmen und am 1., 10. u. 20. jeden Monats eine diesbezügliche Meldung an den Schularzt zu machen. Die Eltern erhielten von dort den Auftrag, ihre Kinder in der Entlausungsanstalt von dem Ungeziefer befreien zu lassen. Diese Entlausungsaktion hielt mehrere Jahre an. In unserer Schule war Kollege Fiebig der Läusekontrolleur. Er hat seine Aufgabe sehr ernst genommen.
Eine wichtige Rolle spielte die Kräutersammlung. Neben Arzneikräutern aller Art wurden Johannisbeer-, Brombeer-, Erdbeer- und Himbeerblätter zur Teebereitung gesammelt. Bei uns wachsen diese Kräuter vor der Schultür. Da keine Möglichkeit zum Trocknen bestand, haben wir sie zentnerweise in frischem Zustande der Sammelstelle zugeleitet. Dort ist der größte Teil verdorben. Die Eltern wollten sich nicht der Aufgabe unterziehen, die Blätter auf ihren Böden zu trocknen.
Trotz Verlausung, Typhus, Scharlach etc., im Allgemeinen war der Gesundheitszustand unserer Schüler verhältnismäßig gut. Das bekundete unser Schularzt Prof. Dr. Langhans, das bekundeten auch die Zahnärzte. Das ist auch nicht verwunderlich. Die Brinckmansdorfer sind mehr oder weniger alle Kleintierhalter und haben neben ihren meist sehr ertragreichen Obst- und Gemüsegärten noch mehr oder weniger große Flächen "Grabeland" von der Stadtverwaltung gepachtet. Ich wohne mitten zwischen den Gärten, aber es hat sich niemand gefunden, der mir in der größten Hungerzeit auch nur einen Apfel oder eine Birne für Geld und gute Worte abgeben hat. Im Tauschhandel erhielten sie gerade für solche Raritäten alles, was sie brauchten. Überdies habe ich, wie eingangs erwähnt, an der Hilfsschule unterrichtet und hatte zu den hiesigen Einwohnern keine Beziehungen. Dazu hätten sie uns Flüchtlinge, wie fast allerorts, lieber heute als morgen wieder verschwinden sehen.
Im August 46 sollten aus unerklärlichen Gründen die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Mit einer sichtlichen Befriedigung gingen der Ortsälteste Udally und sein Kumpan Martens von Haus zu Haus, um die Flüchtlinge meist mit unpassenden Worten auszuweisen. Vor der Gartenpforte meiner Wohnung bemerkte Udally: "Dem können wir nichts anhaben, er hat eine Bescheinigung, daß er hier angestellt wird." Und das war mein Glück, sonst wäre ich wahrscheinlich unterwegs elend umgekommen, so wie andere von den Rückwanderern, die sich nicht zur Umkehr entschließen konnten.
Am 30.08.1947 erschienen zur Konferenz anstelle Gerson und Frau der Kollege Zimmer und die Kollegin Fuchs. Ersterer gab an, die Volksschule, das Gymnasium bis 0 II und das Technikum in Sarlonis besucht zu haben. Beschäftigt war er hier bei Heinkel, für den Lehrerberuf vorgebildet durch Rektor Alfred Schröter, Leiter der Margaretenschule - heute Rosa Luxemburgschule - Flüchtling aus Ostpreußen. Der hat auf irgendeine Weise die Berechtigung erhalten, Neulehrer vorbilden zu dürfen. Das tat er auf eigene, originelle Art.
Er begrüßte den Bewerber ob männlich oder weiblich mit den Worten: "Ich heiße Alfred, wie heißt du? Nun gehe in die Klasse x, da ist kein Lehrer, ich komme gleich nach." Dort hat er dem Bewerber gezeigt, wie unterrichtet wird und damit war dieser Lehrer geworden. So ein Lehrer ist auch Eduard Zimmer geworden. Seine Schüler haben "Bären" gesammelt. Er konnte zwar in seiner Art reden und hatte auch ein natürliches pädagogisches Geschick, aber seine Orthographie war "fürchterlich". Drei Jahre lang hat er sich nach jeder Richtung hin durchgemogelt, hat sich Geld "besorgt" und es in Kneipen ausgegeben. Ende November verschwand er plötzlich nach Westberlin. Man sprach von Erpressung, Schwarzhandel etc. Nach etwa 4 Wochen wurde seine Frau mit ihren 4 Kindern von einem LKW unbekannter Herkunft abgeholt und niemand hat bisher erfahren, wo sie alle geblieben sind.
Sein Freund Alfred, der hier jeden religiös eingestellten Lehrer verfolgte, wurde entlassen, ging nach Westberlin und ist dort Religionslehrer.
Annedore Fuchs, geb. Horn aus Dummersdorf hat nach dem Abitur 8 Monate lang das pädagogische Institut in Rostock besucht, war vom 01.09.1946 bis 30.09.1946 in Kröpelin angestellt, besuchte bis 15.04.1947 die pädagogische Fakultät in Rostock, kam an die Margaretenschule und am 01.09.1947 nach Brinckmansdorf. Da sie ihre zweite Lehrerprüfung in Biologie ablegen wollte, meldete sie sich zum Schluß des Schuljahres an die Altstädtische Schule.
Im Herbst 1947 wurden nur 42 Schulanfänger aufgenommen. Aus den 3 ersten Klassen entstanden infolge Abmeldung und Abwanderung 2 zweite Klassen, so daß wir zu Beginn des neuen Schuljahres 2 erste, 2 zweite, 1 dritte und eine vierte Klasse hatten. Besonders in der 4. Klasse waren noch viel überalterte Schüler und unter ihnen gute Sänger vorhanden. Am letzten Schultage vor den Weihnachtsferien konnte daher eine groß angelegte und gut gelungene Weihnachtsfeier im Schweizerhaus veranstaltet werten. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Von der Schulverwaltung erschien ihr Leiter, von der Schulaufsicht der Sekretär und von der Altstädtischen Schule der Schulleiter.
Die Schularbeit ging weiterhin in 3 Schichten vorwärts und das wurde allmählich ein unerträglicher Zustand. Darum hat sich der Schulleiter unablässig bemüht, wenigstens noch einen Schulraum zu schaffen. Bereits im Sommer 47 wurde eine Baracke 1) im Park aufgestellt. Ein Teil sollte dem Kindergarten, der andere der Schule dienen. Da für die Unterbringung des Brennmaterials kein Raum vorhanden war, wurde der vorgesehene Klassenraum dafür verwandt. Im Laufe des nächsten Jahres ist der Stall für das Brennmaterial errichtet worden und die Schule erhielt ihren 3. Klassenraum. Da diese "neue" Baracke aus drei verschiedenen alten Barackenteilen zusammengesetzt worden ist, ist sie alles andere als ein Schulraum. Stellenweise scheinen die Sonnenstrahlen durch die Ritzen hindurch. Vor dem Heizen ist die Innentemperatur gleich der der äußeren. Einen Vorteil hat auch dieser mehr als primitive Unterrichtsraum. Man bekommt die Luft direkt durch die Wand und merkt daher kaum etwas von der berüchtigten Schulstubenluft. Die Bänke kamen aus Gehlsdorf, wo sie auf dem Boden standen, ebenso die Wandtafel. Den Schrank kaufte ich von dem hier wohnenden Kollegen Zander und den Tisch von einer Frau aus Waldeslust.
Allmählich hat sich herumgesprochen, daß der Unterricht an der Schule in Brinckmansdorf trotz der behelfsmäßigen Räume recht angenehm sei. Woran mag das liegen? Wir sind ein abgeschlossener Stadtteil mit dörflichem Einschlag. Unsere Schule wird nur von Kindern der ersten 4 Schuljahre besucht und diese sind den nachteiligen Einflüssen der älteren Jahrgänge entzogen.
Wir sind einem achtstufigen System - Altstädt. Schule - angeschlossen, aber jede Lehrkraft kann völlig ungestört meist alle Stunden erteilen. Es wird nicht zum Beginn auch nicht am Schluß der Stunde geklingelt. Die Lehrkräfte "verwachsen" mit ihren Schülern. Sie unterrichten nicht nur, sie erziehen auch besser als in einem großen Betrieb. Ich habe mich bemüht, nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen zur Höflichkeit zu erziehen. Grundsätzlich habe ich jeden bekannten Brinckmansdorfer, auch wenn er jünger war, durch auffälliges Abheben der Kopfbedeckung gegrüßt. Haben die Männer in der ersten Zeit kaum oder zögernd und nachlässig die Mütze gelüftet, so taten sie es im Verlauf der Zeit immer besser. Heute gelten Jugendliche und Erwachsene in Brinckmansdorf als höflich. Die Leistungen der Kinder sind von Jahr zu Jahr besser geworden. Schulschwänzer gibt es nicht bis auf ein aus Schwaan zugezogenes Geschwisterpaar. Die Elternabende werden stets recht gut besucht und es wird erschöpfend diskutiert.
Für Frau Fuchs ist am 01.09.1948 der Kollege Günter Zeitel aus Neu-Roggentin eingestellt worden. Er besuchte die Volks- und Mittelschule in Rostock und vom 01.04.1947 bis 01.04.1948 einen Fachlehrerkursus in Schwerin. Bereits am 25.09. mußte er den Dienst wieder aufgeben und bald darauf ist er im Alter von 21 Jahren der Tbc erlegen.
An seine Stelle kam Frau von Minding, geb. 27.08.1914 in Rosinsko, Ostpr. 1933 schloß sie ihre Schulbildung mit dem Abiturientenexamen am Realgymnasium in Wehlau ab. Am päd. Institut in Ludwigslust absolvierte sie einen viermonatigen Kursus und wurde in Lübz angestellt. Sie hat sich hier von Stund an für die Zusammenarbeit mit der FDJ eingesetzt. Da sie gern an der Mittelstufe unterrichten wollte, bat sie um Versetzung an die St. Georg-Schule. Dort ist sie bald Schulleiterin geworden und hat sich später aus mir unbekannten Gründen nach dem Westen abgesetzt. Für sie kam die Kollegin Ilse Schröder von der St. Georg-Schule her. Sie besuchte die Oberschule in Rostock bis einschl. 0 II, wurde dann Gutssekretärin, absolvierte einen elfmonatigen Ausbildungskursus und legte im November 48 die 1. Lehrerprüfung ab. Bald nach ihrem Umzug nach Brinckmansdorf im Februar 49 heiratete sie den Autoschlosser Ott. Frau Ott verfügte wohl über eine ausreichende schulische Vorbildung, konnte aber keine Disziplin halten und zeigte sich im Unterricht sehr ungeschickt. Als im Herbst 1950 infolge starken Rückganges der Schülerzahl eine Klasse eingezogen wurde, mußte auch eine Lehrkraft weichen. Ich habe Frau Ott für die Versetzung vorgeschlagen. Sie weigerte sich und führte allerlei Gründe an. Auf einer hier anberaumten Konferenz entschied sich der Schulrat für ihre Versetzung. Sie kam wieder zur Georg-Schule und mußte später aus dem Schuldienst ausscheiden. In Mai 1949 verzog Frau Glasow nach Graal, für sie kam Fräulein Basedow. Sie hat die LBA in Neukloster besucht und wurde nach bestandener 1. Lehrerprüfung an der Augustenschule angestellt. Am 01.09.1953 ist sie auf eigenem Wunsch hin aus dem Schuldienst ausgeschieden und hat einen Bauern in Kuhlrade, wo ihr Vater Lehrer ist, geheiratet.
Unser Park hat uns die Aula, den Speiseraum, die Turnhalle etc. ersetzt. Neben 3 Unterrichtsräumen ist da auch eine Bühne vorhanden und zwar an der Westseite des "Einsiedlerberges". Das Gebüsch bildet die Kulissen, der Hügel die Sitz- bzw. Stehplätze. Hier haben wir verschiedene mit großem Beifall aufgenommene Darbietungen verschiedener Art veranstaltet. Hier wurden die Schulanfänger feierlich aufgenommen und die Kinder der 4. Kl. entlassen. Hier wurde der Tag des Kindes festlich begangen bzw. die Prämie übergeben. Hier wurde in den ersten Jahren das Essen an die Kinder ausgeteilt, nur bei schlechtem Wetter in den Klassenräumen. Zubereitet wurde das Essen durch unsere Kochfrau Berta Henning in unserem Patenbetrieb "Rostocker Kunsthonig und Hefefabrik", nur bezüglich ihrer Leistungen, sondern auch bezüglich der Zahl der Essenteilnehmer mit an der Spitze der Rostocker Schulen. Das lag vorwiegend daran, daß der Leiter des Betriebes, Fred Lucas, die Speisen mit betrieblichen Zuschüssen "würzte". Er hat sich stets als Freund der Schule erwiesen. Unvergeßlich wird den damaligen Schülern die durch ihn ermöglichte Lampionfahrt am Abend vor dem 1. Mai sein. Auf 3 geschmückten Lkws ging es mit Gesang durch alle Straßen Brinckmansdorfs und durch Neu-Roggentin. Zum Schluß erhielt von ihm im Einsiedler jedes Kind neben Süßigkeiten, 1 Flasche Brause und ein Pfd. Kunsthonig. Auch an den Tag des Kindes 1952 werden die damaligen Schüler gern zurückdenken, der in Gehlsdorf festlich begangen wurde, wo die Kinder nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch mit allerlei Überraschungen durch ihren Patenonkel bedacht worden sind. Leider ist er nach Hamburg gegangen. Sein Nachfolger Borchert hat uns den Bibliothekschrank geschenkt. Er ist plötzlich freiwillig aus dem Leben gegangen. Der jetzige Patenonkel Kollege Bartels, zeigt kaum Interesse für die Schule. Er entschuldigt alles mit finanziellen Schwierigkeiten.
Für den Kollegen Zimmer wurde ab Januar 1951 Frau Rosemarie Diehn eingestellt. Sie hat an der Rostocker Uni Deutsch und Kunstgeschichte studiert. Trotz ihrer Jugend verfügt sie über ein Maß von Selbstbewußtsein, das kaum eine Unterordnung kennt. Gefördert wird diese Einstellung noch durch Erfolge in ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. U. a. hat sie das zeitgemäße Buch "Die Expedition" verfaßt, das ihr nach ihren Angaben 10.000,- DM netto eingebracht hat. Künstler sollen bekanntlich im Allgemeinen großzügig sein. So großzügig war die Arztfrau und Schriftstellerin Rosemarie Rutte-Diehn auch. Eintragungen ins Klassenbuch, Führung der Anwesenheitsliste, der Schülerbogen und Karteikarten lagen ihr nicht, also ließ sie's trotz dauernder Mahnungen des Schulleiters. Zu Konferenzen erschien sie, wenn's ihr paßte und mit der Pünktlichkeit nahm sie's auch nicht so genau. Aber sie war eine hochmoderne und interessante Frau. Infolge Versetzung ihres Mannes nach Greifswald mußte sie hier den Schuldienst aufgeben 01.09.1954.
Die Schülerzahl senkte sich von Jahr zu Jahr in erschreckender Weise.
1948 = 65 Aufnahmen,
1949 = 38
1950 = 30
1951 = 31 und
1952 = 18.
Das war der tiefste Stand, das waren die Jahrgänge 1945/46, auch eine furchtbare Bilanz des Krieges. Wir sind von ursprünglich 6 auf 4 Klassen herabgesunken.
Am 01.09.1951 wurde Kollege Fiebig an die Altstädt. Schule II versetzt. An seine Stelle trat die Kollegin Elisabeth Hänsel. Sie kam von der pädag. Fakultät, wo sie Didaktik der Unterstufe und Deutsch studiert hat. Sie verheiratete sich bald mit dem Sportdozenten Gerd Grigutsch. Geboren ist sie am 10.10.1929 in Kunzendorf, Kreis Glatz, als Tochter eines Schlossers. Da die soziale Herkunft heute mehr denn je interessiert, muß noch nachgeholt werden, daß Frau Diehn als Tochter des Hilfsschullehrers und Schriftstellers Rutte in Zittau geboren ist.
Nach vielem Bemühen ist es gelungen, die Aufstellung einer zweiten Holzbaracke in Park zu erreichen. Die Nationale Front forderte ein Aufklärungslokal, die Schule einen Pionierraum und zugleich Eßraum und eine Küche. Mit der Erstellung der Baracke wurde allen geholfen. Der Pionierraum diente überdies als Klassenraum. jede Lehrkraft hatte nun einen Unterrichtsraum und damit fiel zur Freude und Genugtuung der Eltern, Schüler und Lehrer der Nachmittagsunterricht fort.
Im Herbst 1953 sind nur 22 Kinder eingeschult worden. Fräulein Basedow ist ausgeschieden. Wir blieben 3 Lehrkräfte mit 109 Schülern, die sich in folgender Weise auf die 4 Klassen verteilen:
Klasse 1 = 22,
Klasse 2 = 18,
Klasse 3 = 35,
Klasse 4 = 34 Kinder, zusammen 109, im Jahre 1947 waren es 211.
Aus dieser erschreckenden Erkenntnis kann jeder friedliebende Mensch nur die eine Folgerung ziehen: "Nie wieder Krieg!".
Während die neu eingerichtete Jugendsportschule im Vorjahre Bewerber nur vom 6. Schuljahr aufwärts aufnahm, konnten nunmehr auch geeignete Schüler der 5. Klassen aufgenommen werden. Bedingung ist, neben guten sportlichen Leistungen in allen übrigen Fächern mindestens "gut".
Unsere Bewerber Heike Langhoff, Helma Dedow, Antje Rath und Renate Krügel sind alle aufgenommen und bewähren sich gut.
Für die Kollegin Diehn ist am 01.09.1954 Frau Herta Oesau auf ihren Wunsch hin von der Altstädt. Schule II nach Brinckmansdorf versetzt worden. Sie ist am 05.02.1913 in Penzlin Kr. Waren als Tochter eines Glasermeisters geboren, hat dort die Volksschule besucht und ist später Buchhalterin gewesen. Nach Absolvierung eines achtmonatigen Ausbildungskursus in Güstrow wurde sie in den Schuldienst eingestellt. Aufgenommen wurden 26 Schulanfänger.
Seit 1953 müssen auch die Schüler der 4. Klassen eine Versetzungsprüfung machen. Sie erstreckt sich auf Deutsch Diktat und Mathematik. Von den 35 Kindern der damaligen 4. Klasse sind 33 nach Kl. 5 versetzt worden. Das Prüfungsergebnis war in Diktat ein Durchschnitt von 2,4 % in Mathematik 2,9 %. 1954 sind alle Schüler der 4. Klasse versetzt worden. Das Durchschnittsergebnis der Prüfung war im Diktat 1,8 % in Mathematik 2,1 %.
An der Schule bestehen 2 Arbeitsgemeinschaften "Schachspiel", die von mir geleitet werden. Es beteiligen sich durchschnittlich 33 Schüler. Einige von ihnen haben sehr beachtliche Fortschritte gemacht, so daß sie sich im kommenden Jahre an einem Wettspiel werden beteiligen können. An der Ferienaktion haben sich alle Schüler in irgendeiner Form beteiligt. Zu den Ferienspielen, die am Schweizerhaus stattfanden, meldeten sich für den 1. Durchgang 30, für den 2. Durchgang 8 Kinder.
Am 01.10.1954 feierte der Schulleiter sein 45 jähriges Dienstjubiläum. Als Vertreter des Rats des Bezirkes und des Kreises erschien die Schulinspektorin Domke und überreichte eine Urkunde. Von der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung erschien ihr Vorsitzender Schoknecht in Begleitung eines Kollegen vom Zentralvorstand, der sich z. Zt. in Rostock aufhielt und überreichte eine größere Zahl wertvoller Bücher. Der Vertreter des Oberbürgermeisters - Thiel - am Vormittag verhindert, erschien am Nachmittag im Schweizerhaus, wohin ich die Gratulanten, rund 30 - zu einer Kaffeerunde gebeten hatte. Das Kaffeestündchen dauerte von 4 -11 Uhr (16 - 23 Uhr) und war recht gemütlich. Der Elternbeirat war vollzählig erschienen und überreichte gemeinsam mit dem Kollegium wertvolle Geschenke. Jedes Kind der Schule trug einen Blumenstrauß. Die Feier im Pionierraum dauerte mindestens 2 Stunden. Bei der Kaffeetafel berichtete der Jubilar u. a. ganz kurz aus seinem Leben etwa folgendes: Am 30.10.1889 als Sohn eines Landwirts in Altwolfsdorf Kr. Johannisburg Ostpr. geboren, besuchte ich die zweiklassige Dorfschule, von 1903 - 06. Die Präparandenanstalt in Johannisburg und von 1906 bis 09 das Lehrerseminar in Ortelsburg. Vom 01.04.1912 bis 31.03.1913 genügte ich meiner einjährig-freiwilligen Militärdienstpflicht, wurde in Skomatzko, Kr. Lyck einstweilig und 1 Jahr später in Mövenau, Kr. Johannisburg endgültig angestellt. Dieser und jener mag wohl mit den früheren Arten der Anstellungsformen nichts anzufangen wissen. Also: Bei Vertretungen war die Stelle planmäßig besetzt, Inhaber entweder krank, zu einem Kursus beurlaubt etc. Keinen Anspruch auf Reisekostenvergütung. Waren die Militärdienstverhältnisse geklärt, erfolgte einstweilige Anstellung. Planmäßige Stelle, Anspruch auf Umzugsvergütung. Vor der Erledigung der Dienstpflicht auch planmäßige Stelle ohne Umzugskostenvergütung - auftragsweise jederzeit ohne Begründung eine weitere Versetzung möglich. Die zweite Lehrerprüfung konnte frühestens nach 2 Dienstjahren, mußte spätestens innerhalb 5 Dienstjahren abgelegt werden. Endgültige Anstellung bedeutete Anstellung auf Lebenszeit. Nur bei schweren dienstlichen und außerdienstlichen Verfehlungen konnte das Anstellungsverhältnis durch ein Gerichtsurteil gelöst werden. Auftragsweise und einstweilig angestellte Lehrkräfte erhielten ihre Dienstbezüge, damals 5 Diatariatsjahre monatlich 93,33 M gezahlt, endgültig angestellte Lehrkräfte vierteljährlich im voraus - Grundgehalt 1400,- M - Alterszulagen alle 2 Jahre je 200,- M, alleinige Lehrkräfte jährlich 100,- M, 1. Lehrer (an zweiklassigen Schulen) 200,- M, Hauptlehrer an 3 bis 5 klassigen Schulen 300,- M und Rektoren ab 6 Klassen monatlich 100,- M Zulage. Großstädte zahlten darüber hinaus besondere Zulagen, Stettin z. B. 800,- M jährlich, ebenso Berlin Schöneberg.
Am 01.10.1920 wurde ich von der Stadtgemeinde Lyck zum Lehrer an der dortigen 22 klassigen Knabenschule berufen. Nebenberuflich unterrichtete ich an der gewerblichen und kaufmännischen Berufsschule, an der Heeresfachschule und Polizeiberufsschule. Auf meinen Antrag hin versetzte mich das Ministerium am 01.04.1930 nach Stettin. Durch einen Privatvertrag mit der Stadtverwaltung war ich auch an der Gewerbeschule - Metallgewerbe - angestellt.
Gleich nach Einrichtung der hiesigen Schule wurde für sie auch ein Elternbeirat bestimmt. Ihm gehörten an: Kaufmannsfrau Pilz, Stud.-Rat Dr. Baier und Rittmeister a. D. Koch. Dieser E. B. wurde bald durch die "Freunde der neuen Schule", an deren Spitze Frau Ihde stand, abgelöst. 1951 kam die Verordnung über die Bildung von Elternbeiräten wieder neu heraus. Da wir damals noch der Altstädt. Schule II angeschlossen waren, wurde unsere Schule durch Frau Ohl und Frau Trautmann im E. B. vertreten. Im nächsten Jahre wurden diese beiden wieder und der Dozent Georg Dieckhoff, der gleichzeitig Vorsitzender des E. B. wurde, neu gewählt. 1953 wählten wir unseren eigenen E. B. Kollege Dieckhoff und die Oberassistentin an der päd. Fakultät Frau Rosenthal kamen von der Altstädt. II zu uns. Neben ihnen wurden gewählt: Frau Anneliese Schmidt, Kollege Karl-Heinz Müller, Frau Franziska Liebrenz und Frau Warremann. Kollege Dieckhoff wurde zum Vorsitzenden, Frau Warremann zum Schriftführer gewählt. Im Sommer 1954 verzog Frau Rosenthal nach Hamburg (ihr Mann kehrte aus russ. Gefangenschaft zurück) und an ihre Stelle trat Frau Anni Dürr. Im Herbst 1954 fanden keine Neuwahlen zum E. B. statt. Es wurde in einer Versammlung der bisherige E. B. von der Elternschaft einstimmig bestätigt. Im Frühjahr 1955 wurde der Kollege Dieckhoff an die Hochschule für Maschinenbau in Magdeburg versetzt. Den Vorsitz im E. B. übernahm der Kollege Müller, das Amt des Schriftführers übernahm Frau Dürr.
Die Ferienaktion 1955 wurde in gleicher Weise wie im Vorjahre durchgeführt. Von unseren insgesamt 102 Schülern nahmen 46 an den Ferienspielen am Schweizerhaus, 40 an Betriebsferienlagern, 5 am Schwimmlager teil und der Rest verbrachte z. T. die ganze Zeit vom 06.07. bis 30.08. bei Verwandten auf dem Lande.
Am 01.09.1955 ist die Kollegin Grigutsch auf eigenen Wunsch an die Rosa Luxemburgschule 2 versetzt worden. An ihre Stelle trat die Kollegin Lotte Wehr, die drei Jahre lang an der Baltenschule in Graal unterrichtet hat. Sie ist als Tochter eines Telegraphensekretärs am 29.07.1923 in Gehlsdorf geboren, besuchte die Grundschule, die Mittel- und Oberschule, schloß mit dem Abitur ab und wurde auf der LBA in Güstrow und Lauenburg vorgebildet.
Die Schulanfänger sind wie üblich, am 03.09.1955 feierlich aufgenommen worden, es sind ihrer 39. Sollten im Verlauf des Schuljahres noch einige dazukommen, dann wird die Raumfrage Schwierigkeiten bereiten. Im nächsten Schuljahr kann mit 2 Anfangsklassen gerechnet werden.
Die Neuwahlen für den Elternbeirat fanden in Brinckmansdorf am 12.12.1955 im Schweizerhaus statt. Der Elternabend war sehr gut besucht. Es wurden folgende Kandidaten einstimmig gewählt: Frau Hildegard Seideter, Frau Franziska Liebrenz, Frau Erna Erben, Frau Rita Flick und Herr Harry Schoknecht. Als Vertreter des Patenbetriebes "Rostocker Kunsthonig und Hefefabrik"gehört Herr Bartels, Leiter des Betriebes dem E. B. an. Den DFD vertritt Frau Erben und die FDJ die nebenamtliche Pionierleiterin Rosi Müller, Lehrling im Patenbetrieb. Nach Abschluß der Wahlhandlung überraschte und erfreute der Chor der Neptunwerft unter Stabführung der Kollegin Wehr die Anwesenden mit einem reichhaltigen Programm. Es waren dieselben Sänger, die u. a. in Bremen aufgetreten sind. Auch unsere Schüler erfreuten ihre Eltern durch Gesänge, Reigen und Deklamationen. Ein gemütliches Beisammensein, bei der auch die Tanzlustigen zu ihrem Recht kamen, hielt die Eltern noch einige Stunden beisammen.
Wenn ein Lehrer 47 Jahre lang nicht nur vor Schülern der Grundschule, sondern auch vor Bewerbern für die HTL (höhere technische Lehranstalt und vor Schülern der Polizeiberufs- u. Heeresfachschule, der kaufmännischen und gewerblichen Fortbildungsschule gestanden hat, dann muß er "müde"' werden. Daher bat ich die vorgesetzte Dienststelle, mich von der Leitung der Schule am 01.09.1956 zu befreien und die Kollegin Wehr mit dieser Aufgabe zu betrauen. Das ist geschehen.
Brinckmansdorf, 01.09.1956
1) Für 1947 verzeichnet ein Tätigkeitsbericht des Hochbauamtes vom 16. März 1948 (StA Rostock, 2.1.0. 6) die Instandsetzung von 52 Wohnungen am Rahnstädter Weg, den Ausbau von 18 Wohnungen auf der neuen Rennbahn, die Einrichtung eines Stadtcafés im früheren Palais, die Erneuerung des Barocksaals, die Instandsetzung der Gaststätte „Trotzenburg“, den Ausbau von 15 Kindergärten und die Errichtung einer Schulbaracke in Brinckmansdorf.