Geschichte/Verkehr
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Petribrücke
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  Tessiner Straße
  Verbindungsweg

Lage der Petribrücke (Kartenbild © HRO Rostock (CC BY 3.0))
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1716
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um 1814
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1885
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um 1920
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um 1924
 

Der Neubau der Petribrücke im Jahre 1913
mit Verlegung der Kleinen Warnow und Hafenerweiterung
von Karl Friedrich Kerner aus dem "Zentralblatt der Bauverwaltung" (1919),
der kursive Text von Hinrich Bentzin (Ostpost)


Vor 110 Jahren wurde unter Regie des Rostocker Hafenbaudirektors Karl Friedrich Kerner die Einmündung der Kleinen Unterwarnow in die Un­terwarnow verlegt, Anschüttungen vorgenommen und eine neue Warnowbrücke erbaut. Mehrere große Bauvorhaben, wie die Umbauten des Warnemün­der Hafens für die Einrichtung eines Trajektes nach Gedser, wurden zuvor schon von ihm geleitet. Der fol­gende, von Kerner verfasste Artikel im „Zentralblatt der Bauverwaltung“ von 1919 beschreibt die Er­richtung der Warnowbrücke, deren eine Hälfte als Klappbrücke angelegt ist.

Die vor dem Kriege dem regen Verkehr im Rostocker Hafen nicht mehr genügenden Lagerplätze sollten erweitert werden, und dementsprechend musste auch der die Verbindung zwischen der Kleinen Unterwarnow und der Unterwarnow bildende Durchlass verlegt werden. Diese Verbindung war überbrückt durch eine alte hölzerne Klappbrücke, welche unmittelbar vor dem Petritor der Stadt Rostock lag und längst baufällig war. Die Erweiterungsbauten des Rostocker Hafens bezweckten die Schaffung neuer Lagerplätze in der Nähe der Stadt. Daher wurde beschlossen, die alte Warnowverbindung zuzuschütten und etwa 360 m von der alten Verbindung einen neuen Durchstich für Schiffe von 6 m Tiefgang zu eröffnen. Westlich und östlich des neuen Kanals sollten demnach durch Aufschüttung von Baggergut neue Lagerplätze hergerichtet werden.
   Die neue Brücke liegt im Zuge des Petridamms, die Brückenachse fällt mit der Achse des Dammes zusammen. Die Lage der Brücke wurde bestimmt durch die Forderung, eine Gleisentwicklung der Hafenbahn und der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Bahn zwischen Rostock und Neustrelitz auf die neu zu schaffenden Lagerplätze zu ermöglichen. Der Unterbau musste also in genügender Breite für die Straßen- und für eine eingleisige Eisenbahnbrücke hergestellt werden. Um einen gefahrlosen Verlade- und Verschiebebetrieb zu schaffen, war die höchste zulässige Steigung der Brückenrampe von 1:125 gegeben und ein näheres Heranlegen der Brücke an die Stadt ausgeschlossen.
   Aber auch wirtschaftliche Gründe sprachen für die Lage der neuen Brücke, denn jedes Näherrücken an die Stadt hätte die Fläche für die Holz und Bretterlager verkleinert und somit ihren Wert verringert.
   Die Brücke überspannt den Durchstich in zwei Öffnungen von je 18,50 m lichter Weite. Der westliche Teil beider Brücken ist eine feste Brücke, der östliche eine Klappbrücke mit fester Drehachse.
   Die Gründung der Pfeiler war bei den durch Bohrungen festgestellten Bodenverhältnissen schwierig. Erst bei NN -11 m stieß man auf baufähigen Grund. Ursprünglich sollten die Pfeiler auf Sandschüttungen zwischen Spundwänden gegründet, die Spundwände bis NN -12,50 m gerammt und der Boden zwischen ihnen bis auf NN -11,50 ausgehoben werden. Dann sollte der Raum zwischen den Spundwänden mit Kies bis auf NN -6 m (der Schifffahrtstiefe im Durchstich) aufgeschüttet, der große östliche Landpfeiler aber bis auf NN -11 m hinabgeführt werden. Bei diesem Gründungsverfahren wären auch große technische Schwierigkeiten wie Herstellen, Befestigen und Versteifen der Baugrube, Wasserhaltung usw. zu überwinden gewesen. Außerdem schloss die Möglichkeit, dass etwa eine gebrochene Spundbohle den eingefüllten Kies trotz des Gegendrucks des gewachsenen Bodens durchsickern ließ, die Gefahr des Versackens des Unterbaus nicht aus. Zu allem kam auch der Umstand, dass, wie bei auf dem Petridamm zutage geförderten Bohrproben festgestellt war, teilweise mit großen Steinen gerechnet werden musste, die ein Rammen der Spundwände schwierig gemacht hätten.
   Die Bauleitung beschloss daher, den Boden auszubaggern und die rückenwiderlager und Pfeiler auf Senkkästen aus Eisenbeton zu gründen, die in die Brückenbaustelle schwimmend eingefahren werden sollten, um sie hier in richtiger Lage zum Brückenoberbau zu versenken, obgleich die Schwierigkeit einer genauen Versenkung nicht verkannt werden durfte, denn der eiserne Oberbau der Brücken war hergestellt und der Unterbau musste sich anpassen.
   (....) Beim Einbau wurde auf einem alten Arbeitshulk zunächst die Sohle des Senkkastens betoniert, dann die Schalwände aufgestellt und die Eiseneinlage eingebracht. Außen- und Innenwände sind dann bis zu einer Höhe von 2,50 m betoniert. Nach achttägiger Abbindezeit sind die Außenwände ausgeschalt und mit Zementmilch bestrichen worden. Nach weiteren drei Tagen erfolgte das Ausdocken des Senkkastens von dem Hulk in ein zur Verfügung stehendes Schwimmdock. Der zu Wasser gelassene Kasten zeigte keinerlei Undichte und konnte nun ohne Schwierigkeit in die Brückenbaustelle eingefahren, hier in richtiger Lage festgelegt und nach und nach bis zur vollen Höhe aufgemauert werden. Ebenso ist der westliche Landpfeiler hergestellt, eingefahren und versenkt worden.
   Der große östliche Landpfeiler musste, da er für den Arbeitshulk zu groß war, in zwei Senkkästen hergestellt werden. Diese beiden getrennten Senkkästen sind dann, nachdem sie eine Höhe von 2,50 m erreicht hatten, im Schwimmdock vereinigt, indem die aneinander stoßenden Wände durch Schrauben verankert und dann überbetoniert wurden. Dann wurden die Wände weiter hochgeführt; bei einer Höhe von 2,50 m war der Tiefgang schon so groß, dass die Betonierungsarbeiten nur auf der Brückenbaustelle fortgeführt werden konnten, wo die Baugrube inzwischen, wie bei den anderen Pfeilern, auf NN -11 m ausgebaggert und an der für den Pfeiler bestimmten Stelle durch eine von Tauchern hergestellte Kieselschicht abgedeckt und geebnet war.
   Die Senkkästen wurden, wie schon gesagt, durch allmähliches Auffüllen der Innenräume in den einzelnen Fächern der Kästen, und zwar zunächst nur mit Wasserballast, versenkt, um es immer in der Hand zu behalten, diese Fächer leer zu pumpen und die Kästen wieder zum Schwimmen zu bringen, wenn ihre Lage zur Brücke nicht richtig gelungen war. Von NN -1,30 m ab sind dann die Pfeiler aus Stampfbeton bis zur endgültigen Höhe ausgeführt. Die Außenwände sind mit lagerhaft gebrochenem Granit verkleidet. Die Pfeiler bilden nach ihrer Fertigstellung und Versenkung eine einzige Masse, ohne jeglichen Riss und mit vollständig trockener Kammer für den Schwanz der Brückenklappen.
   Die Straßenbrücke ist 11 m breit, wovon 7 m auf den Fahrweg und 4 m auf die Fußseite entfallen; die Eisenbahnbrücke ist 5 m breit. Die Fahrbahn der Straßenbrücke besteht bei dem festen Teil aus Asphalt auf Beton, bei dem beweglichen Teil aus Stahlplatten auf Zoreisen. Die Fußsteige sind mit Holzbohlen gedeckt. Die Klappen, die bei geöffneter Brücke um etwa 80° von der Waagerechten abweichen, werden mittels eines Antriebs von 30 Pferdestärken bewegt; bei dessen Versagen ist ein Handbetrieb vorgesehen.
   Der ganze Unterbau ist in sechs Monaten fertiggestellt, und die eisernen Brücken konnten ohne Schwierigkeit auf die fertigen Auflager der Pfeiler verlegt werden. Der eiserne Brückenbau ist von der Firma Krupp, Hütte Rheinhausen, geliefert; die Maschinen stammen von der Deutschen Maschinenfabrik in Duisburg.

Nach dem Brückenschlag

Am 13.12.1912 erfolgte die Abnahme der Petribrücke für den Straßenverkehr; der Eisenbahn-Teil folgte ein Jahr später. Für den Schiffsverkehr wurde die Brücke am 12.5.1914 freigegeben. Die Folgen des I. Weltkriegs bremsten die Entwicklung der Stadt Rostock und ihres Hafens - er fiel auch im Vergleich mit anderen Hafenstädten zurück. Die Umschlagszahlen der Vorkriegszeit konnten erst nach dem II. Weltkrieg wieder erreicht werden (1925 waren nur 32% des Umschlags von 1913 zu verzeichnen). Pläne zum Hafenausbau am Nordufer der Warnow kamen nach dem Krieg nicht zur Ausführung.
   Historische Stadtpläne und Fotos geben Auskunft über den weiteren Gang der Dinge rund um die Petribrücke. In den 20er Jahren wurde die nordöstlich der Brücke liegende feuchte Wiese (im Plan mit „C“ bezeichnet) aufgeschüttet. Nach 1930 scheinen die Lagerflächen auf dem neu gewonnenen Land westlich der Warnow etwa zur Hälfte in einem eingezäunten Areal als Holzlager genutzt worden zu sein (Fa. Heinz Kröpelin). Es ist durch die Hafenbahn erschlossen, Teile der nördlichen Holzhalbinsel liegen aber brach. Südlich des Petridamms, vor dem Petritor, nutzte die Firma Jürß & Crotogino große Flächen für ein Sägewerk und den Holzhandel. Auch ein Kohlehandel hatte sich hier angesiedelt. Mit dem Umzug der Riedelschen Dachpappenfabrik beginnt 1932 laut Rostocker Adressbuch die Nutzung des Osthafen-Gebietes nördlich des Petridamms. In der ersten Hälfte der 30er Jahre ist der schon in der Brückenkonstruktion vorbereitete Bahn-Anschluss des Osthafens realisiert worden. Östlich der neuen Warnowmündung, hinter der im Plan eingezeichneten Mole, wurde eine weitere Neulandgewinnung durchgeführt.
   Der wirtschaftliche Aufschwung im Vorfeld des II. Weltkrieges sorgte wieder für Konjunktur im Rostocker Hafen. Westlich der Brücke kam es zum Bau der großen Getreidesilos und einer Ölmühle. Nach den Bombardierungen wurden die Flächen östlich der Warnow auch für Ausweich-Standorte ausgebombter Betriebe benötigt. Luftbilder zeigen 1944 mehrere Firmen-Ansiedlungen, Lagerplätze und schon ein verzweigtes Bahnnetz im Bereich des Osthafens.
   Eine Sprengung der Brücke konnte bei Kriegsende in letzter Minute durch einen mutigen Rostocker verhindert werden. Zwischen 1948 und 1974 verkehrte die Straßenbahnlinie 4 über die Brücke (nach Dierkow ab 1948 und nach Gehlsdorf ab 1951). Sie nutzte bis 1952 das Gleis der Hafenbahn und fuhr danach auf der Straßenbrücke. Am 16.9.1981 wurde die Brücke nach langer Zeit ein letztes Mal hochgeklappt und danach für immer festgelegt. Die Öffnung wurde per Handbetrieb innerhalb von drei Stunden erreicht. Zuvor war bereits der Straßenteil der Brücke aus den Angeln gehoben und verschrottet worden. Bei dieser Gelegenheit wurde das Pionierschiff „Vorwärts“ vom Mühlendamm an einen neuen Liegeplatz am Kabutzenhof geschleppt. Es folgte eine mehrere Monate andauernde Rekonstruktion der Petribrücke. Nach einem Bericht der Ostsee-Zeitung meldete sich der 90-jährige Rostocker Baumeister Walter Krohn, der an der Erbauung mitgewirkt und sie in seinen frühen Berufsjahren fotografisch dokumentiert hatte. Er konnte auch wichtige technische Informationen liefern, welche für die Rekonstruktion unentbehrlich waren.
   Zwischen 1984 und 1986 kam es zum Bau der Vorpommernbrücke für den Straßenverkehr, wodurch dieser von der Petribrücke ferngehalten wurde. Ab 1987 verkehrten wieder Straßenbahnen in den Rostocker Nordosten über die Brücke. 1992 fuhr eine letzte Lok der Hafenbahn über die Warnow - an Stelle der Gleise gibt es seitdem einen Fuß- und Fahrradweg. Im Jahre 2017 ist die Mechanik der Klappbrücke aufwendig restauriert worden.

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Blick von der Petrischanze auf den Petridamm mit der hölzernen Klappbrücke um 1910. (Foto: Sammlung Hans Joachim Vormelker)


Petridamm mit der hölzernen Klappbrücke um 1910. (Foto: Sammlung Hans Joachim Vormelker)


Holzklappbrücke und Petritor um 1910. (Foto: Sammlung Volkmar Baier)


Blick von der Petribleiche auf die Holzklappbrücke um 1910. (Foto: Sammlung Volkmar Baier)


K. F. Kerner, Neubau der Petribrücke in Rostock, Zentralblatt der Bauverwaltung 1919. ( Sammlung Hinrich Bentzien)


Der Senkkasten des Mittelpfeilers der Petribrücke. (Foto: Sammlung Peter Horn)


Ein LOWA-Zug der Linie 4 um 1972 auf der Petribrücke. (Foto: Archiv Rostocker Nahverkehrsfreunde)


Blick von der Petribrücke auf die Riedelsche Dachpappenfabrik um 1962. (Foto: Sammlung Achim Merkord)


Letzte Öffnung der Petribrücke am 16.9.1981 mit Durchfahrt der ‚Vorwärts‘ (Foto: Wolfhart Eschenburg, 
Sammlung H. O. Möller)


Die restaurierte Mechanik der Petribrücke 2017. (Foto: Hinrich Bentzien)


Straßenbahn der Linie 4 auf der Petribrücke 2023. (Foto: Berthold Brinkmann)


Vorpommer- und  Petribrücke 2022. (Foto: Berthold Brinkmann)


Vorpommer- und  Petribrücke 2022. (Foto: Berthold Brinkmann)


Petribrücke und Holzhalbinsel 2022. (Foto: Berthold Brinkmann)


Blick von Osten über die Warnow mit Petribrücke 2022. (Foto: Berthold Brinkmann)


Blick von Osten über die Warnow mit Vorpommern- und Petribrücke 2022. (Foto: Berthold Brinkmann)


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