Geschichte/Verkehr
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Tankstellen in Brinckmansdorf 2015 (Kartenbild © HRO Rostock (CC BY 3.0)) |
Tankstellen in der Reihenfolge ihrer Inbetriebnahme |
Abnahmepapiere einer Straßentankstelle |
Derop-Tankanlage |
OLEX-Tankanlage |
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Warnemünder Zeitung v. 31.08.1939 |
Tankstellen in Rostock 1956 |
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Die Geschichte der Tankstellen im heutigen Brinckmansdorf
Peter Garbe
Rhenania-Ossag, B.V.-ARAL, DAPG, DEROP, Leuna
Heute gibt es auf Brinckmansdorfer Gebiet fünf Tankstellen. Dass hier kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zeitweilig wesentlich mehr derartige Anlagen unterschiedlicher Größe existierten, dürfte nur noch wenigen Zeitgenossen bekannt sein. Insgesamt lassen sich 14 ehemalige Standorte öffentlicher Tankstellen nachweisen, für das Gebiet der Seestadt Rostock mehr als 90. Im gesamten Deutschen Reich waren es damals rund 60.000, eine Zahl die weder davor noch danach wieder erreicht wurde und das bei einem Fahrzeugbestand von nur etwa 3,5 Mio. (www.dhm.de/lemo). Zum Vergleich dazu: Aktuell sind in Deutschland mehr als 62 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen (www.kba.de) zu deren Versorgung aber nur noch rund 14.500 Tankstellen betrieben werden.
Der wachsende Tankstellenbestand bis 1939 war natürlich vor allem eine Folge der nach dem 1. Weltkrieg verstärkt einsetzenden Massenmotorisierung. Weshalb es zu der hohen Konzentration in Brinckmansdorf kam, beantwortet der Blick auf den Stadtplan bzw. die Landkarte: die nach Süden und Osten führenden Fernstraßen – heutigen Bundesstraßen (damals Reichsstraßen genannt) B 103, B110 und B105 liefen und laufen über Brinckmansdorfer Gebiet und waren /sind deshalb für die Errichtung derartiger Anlagen geradezu prädestiniert.
Wie verlief nun diese Entwicklung und wie kam es dazu, dass die alten Tankstellen scheinbar spurlos verschwanden? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir uns in die Zeit nach dem 1. Weltkrieg zurückversetzen:
1. Die Zeit vor der Tankstelle (1920 bis 1925)
Wer etwa im Jahr 1920 als „Automobilist“ mit leerem Tank die östlichen Vorstädte der Seestadt Rostock erreichte bzw. nach Berlin oder Stettin fahren wollte, musste nach einer Möglichkeit Ausschau halten, seinen Treibstoffvorrat aufzufüllen. Tankstellen gab es noch nicht. Benzin- ursprünglich ein unerwünschtes Nebenprodukt bei der Herstellung von Lampenpetroleum- wurde von Lebensmittelhändlern (damals meist noch als „Kolonialwarenhändler“ bezeichnet), Drogisten, Gastwirten, Fahrradhändlern, Schmiedemeistern und Werkstattbetreibern sozusagen im „Nebenerwerb" gelagert und eimerweise oder in Kannen oder Kanistern an der Straße verkauft, daneben auch Lampen- und Schmieröle. Wer dieses Geschäft damals in Brinckmansdorf betrieb, kann nur vermutet werden. In Frage kämen u.a. die Kaufleute Paul Behrendt (Mühlendamm 26), Karl Kröger (Mühlendamm 24) und der Inhaber der gleichnamigen Maschinenfabrik Friedrich Lange (Petridamm 9/10).
Diese aus heutiger Sicht doch sehr abenteuerliche Art der Betankung reichte gerade noch aus, den damals recht geringen Bedarf zu decken; so liefen 1921 im gesamten Deutschen Reich lediglich rund 82.700 PKW, 30.000 LKW und 26.700 Motorräder, das war weniger als der Vorkriegsbestand im Jahre 1914 (www.dhm.de/lemo). Zudem war sie nicht ungefährlich; die oft ungesicherte Lagerung (meist in Fässern von einem Barrel = 159 l) und der leichtfertige Umgang mit den brennbaren Flüssigkeiten führten häufig zu Bränden.
Die Anfang der 1920er- Jahre wieder einsetzende Fahrzeugproduktion und Importe ließen in den Folgejahren die Zulassungszahlen schnell ansteigen (1924: 132.000 PKW, 150.000 LKW, 98.000 Motorräder). Das erforderte eine neue, leistungsfähigere und sicherere Art der Kraftstoffversorgung.
So gingen 1922/23 in Deutschland die ersten stationären Anlagen zur Kraftfahrzeugbetankung in Betrieb, die den Namen „Tankstelle“ verdienen. Es handelte sich anfangs um einzelne Zapfsäulen, die an der Straße auf dem Bürgersteig standen, demzufolge auch Straßen- oder Bürgersteigtankstellen genannt wurden. Der Kunde hielt mit seinem Fahrzeug auf der Fahrbahn, entweder im Freien oder unter einer mehr oder weniger provisorischen Überdachung. Bedient wurde die Zapfsäule von einem Angestellten des Betreibers z. B. des Lebensmittelhändlers oder Drogisten (oder diesem selbst). Er förderte mittels Handpumpe das Benzin aus dem unterirdisch liegenden Tank, dieses lief wechselseitig in die beiden 5 l- Schaugläser und wurden dann in den Tank des Kundenfahrzeugs abgelassen. Derartige Zapfsäulen waren noch bis in die 1960er- Jahre in Betrieb, die Älteren werden sich noch daran erinnern. Unverzichtbares Requisit jeder Tankstelle war die Mischkanne für die Betankung der zahlreichen Zweitakt- Fahrzeuge, sowohl Motorräder als auch PKW. Da es keine Zapfsäulen für Gemisch gab, musste dieses mittels der genannten Kanne für jeden Kunden hergestellt werden, damals in der Regel 1:25.
Die Stationierung der Zapfsäulen unmittelbar an den Durchgangsstraßen führte allerdings häufig zur Störung des Verkehrsflusses durch die zur Betankung abgestellten Fahrzeuge, vor allem wenn mehrere Tankstellen nebeneinander und im Bereich von Kreuzungen lagen.
2. Getankt wird an der Straße (1926 bis 1932)
Die erste „echte“ Tankstelle in Brinckmansdorf entstand 1926 auf dem Grundstück der Maschinenfabrik Friedrich Lange, Petridamm 9/10 (Nr. 1 auf der Karte). Mit Schreiben vom 16. August 1926 bestätigte der Mecklenburgische Überwachungsverein für Dampfkessel und elektr. Anlagen die Abnahme einer Straßentankstelle der Rhenania-Ossag Mineralölwerke AG.
Die weitere Entwicklung lässt sich besonders gut anhand des Branchenteils der Rostocker Adressbücher nachvollziehen. Der Jahrgang 1929 führte erstmals die Kategorie „Tankstellen“. Für Brinckmansdorf gab es 3 Eintragungen: Neben der o. g. Fa. Lange werden die beiden Lebensmittel-/ Kolonialwarengeschäfte Paul Behrendt (Nr. 2) und Karl Kröger genannt, die im Mühlendamm 26 bzw. 24 (Nr. 3) - also an der Ecke „Weißes Kreuz“- einander gegenüber lagen; für das gesamte Stadtgebiet (ohne Warnemünde) 8 Tankstellen / Zapfsäulen.
Zwei Jahre später, also 1931, waren es für Rostock (wieder ohne Warnemünde) bereits 46, was fast einer Versechsfachung innerhalb von zwei Jahren entsprach. Zu den 1929 bestehenden Anlagen (s.o.) kamen in Brinckmansdorf 3 weitere hinzu: Fritz Börger errichtete auf dem Grundstück seines Straßenbaubetriebes im Petridamm 22 (Nr. 4) ebenfalls eine Tankstelle, ebenso Max Schlünz vor dem Gasthaus „Weißes Kreuz“ (Nr. 5) und Otto Westphal vor dem Restaurant „Waldschloß“ (Neubrandenburger Chaussee 24) (Nr. 6). Das „Waldschloß“ war 1914 quasi als Ersatz für das bis dahin an der Ecke Neubrandenburger Chaussee/ Mühlendamm auf städtischem Grund gelegene, damals beliebte Ausflugslokal „Stadt Neubrandenburg“ errichtet worden. Wegen der geplanten Neubebauung dieses Teiles der Mühlentor- Vorstadt wurde 1912 der Pachtvertrag gekündigt und das Gebäude abgerissen. In den neuerbauten, mehrgeschossigen Häusern (bis dahin bestand die Bebauung aus eingeschossigen Traufenhäusern) siedelten sich u.a. auch die Kaufleute Behrendt und Krüger an (s.o.).
Diese sehr starke Zunahme der Anzahl der Tankstellen, spiegelte die etwa 1925 einsetzenden Bemühungen der Mineralölgesellschaften wider, innerhalb kürzester Zeit ein flächendeckendes Netz von Zapfstellen zu installieren. Für Rostock betraf das offenbar vorwiegend den Zeitraum 1926 bis 1932. Das war wegen des inzwischen stark gestiegenen Kraftstoffbedarfs erforderlich, hatte sich der Fahrzeugbestand gegenüber 1924 (s.o.) doch vervielfacht. 1931/32 betrugen die entsprechenden Zahlen: 497.000 PKW, 150.000 LKW, 800.000 Motorräder. Der unverhältnismäßig hohe Zuwachs bei den Motorrädern war ein Indiz für den Sonderweg, der in Deutschland bei der Massenmotorisierung eingeschlagen wurde. Während sie z.B. in den USA, England und Frankreich über PKWs lief, waren diese in Deutschland für den Normalbürger offenbar unerschwinglich. Hier wurde auf die kostengünstigen Krads ausgewichen. (Besonders verbreitet waren Modelle bis 200cm³ Hubraum, da diese bis 1938 sowohl steuer- als auch führerscheinfrei waren). Das führte dazu, dass sich bis 1939 deren Zahl nochmals verdoppelte und damals rund 40% der auf der Welt laufenden Motorräder im Deutschen Reich zugelassen waren.
3. Die ersten Großtankstellen, Versuch der Regulierung des TS- Marktes (1932 bis 1937)
1932 blieb die Zahl der Tankstellen unverändert. Zwar wurde die Zapfsäule vor den „Weißen Kreuz“ wohl wieder stillgelegt, d. h. sie wird nicht mehr genannt, dafür erbaute die Rhenania-Ossag/Shell auf dem Eckgrundstück Neubrandenburger Chaussee 1a eine sogenannte „Großtankstelle“ (Nr. 7).
Das erste Exemplar dieses neuen Anlagentyps war bereits 1927 in Hamburg in Betrieb gegangen. Die Großtankstellen waren ausnahmslos markengebunden, sie lagen - anders als die Straßentankstellen - außerhalb der Durchgangsstraßen, waren mit diesen über gesonderte Zufahrten verbunden, verfügten über mehrere Zapfsäulen, eine feste Überdachung sowie Räumlichkeiten für das Personal und die Kundschaft, außerdem häufig eine großflächige, möglichst auffällige Werbung. Die Betankung übernahm der Vertreter einer bis dahin unbekannten Berufsgruppe - der Tankwart. Daneben liefen häufig Werkstätten und Autowäschen und Garagen, der Verkauf von Kraftstoffen war aber der wesentliche Geschäftszweck.
In den folgenden Jahren bis 1937 änderte sich am Bestand lt. Adressbuch nichts. Allerdings wechselte am Standort Neubrandenburger Chaussee 24 der Pächter; nunmehr war es Alfred Gey, der Produkte der DEROP (Deutsche Vertriebsgesellschaft für Russische Oel-Produkte) vertreibt. Als 1935 die DEROP vom Benzolverband GmbH übernommen wurde, erfolgte eine Umflaggung. Ab dem Jahrgang 1936/37 wurde die Anlage als B. V.-ARAL-TS Alfred Gey geführt.
Dafür, dass nach 1932 vorerst keine neuen Anlagen in Betrieb gingen, gab es folgenden Grund: Bald nach der Machtübernahme entstanden Bestrebungen, den Tankstellenmarkt zu beschränken und völlig neu zu ordnen („AO über die Beschränkung des Tankstellennetzes“ vom 24.Juli 1934 des Reichswirtschaftsministers). Rechtsgrundlage war das Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 15. Juli 1933 (Reichsgesetzblatt 1934 I, S. 747). Diese Bestrebungen waren das Ergebnis der Einschätzung, dass in der Zeit der Weimarer Republik bei der Genehmigung von Tankstellen gravierende Fehler gemacht worden wären, was umgehend zu korrigieren sei. Worum es dabei ging, ist einem Schreiben der B.V.- ARAL vom 29.April 1937 zu entnehmen, dass zwar an einen TS- Betreiber in Brunshaupten gerichtet ist, für Anlagen in Rostock und damit Brinckmansdorf in gleicher Weise galt: Die B.V.- ARAL schrieb u. a. (Zitat): „ Überall in Deutschland; auch in Mecklenburg, zeigen sich im Sinne des Programms der Regierung Bestrebungen, das vorhandene Tankstellennetz zu reorganisieren. Es wird gesagt, dass in der Zeit des überstürzten Baues von Tankstellen in den Jahren 1927- 1931,vielfach Tankstellen an ungeeigneten Plätzen und bei Personen errichtet wurden, die unmöglich für den Verkauf von Betriebsstoffen und Autoölen die im Interesse der Motorisierung notwendigen Kenntnisse haben und die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Diese Bestrebungen werden unterstützt durch Fachverbände, die eifrig dafür kämpfen, dass Tankstellen möglichst nur „Fachleuten“ übertragen werden. Darüber hinaus bestehen Bestrebungen, an denen wir ebenso wie alle anderen Betriebsstoffgesellschaften unbeteiligt sind, bestehende Tankstellen in den Durchgangsstrassen zu beseitigen und sie an anderen Plätzen, wo sie die Flüssigkeit des Verkehrs nicht hindern, wieder aufzustellen, sofern sie nicht ganz eingehen müssen.“
Geplant war ursprünglich, die kleinen Anlagen in den Innenstädten an den Stadtrand zu verlagern und dort zu sogenannten Sammeltankstellen zusammenzufassen, die etwa den Großtankstellen entsprachen.
Offenbar gab es aber keine klaren Vorgaben, so dass die Umsetzung doch wohl sehr unterschiedlich lief. Während einige Kommunen die Sache ohne den gewünschten Nachdruck betrieben, kann man der beigefügten Kopie des Schreibens des Meckl. Staatsministerium vom 22. November 1938 entnehmen, dass anderenorts wohl beträchtlicher Druck bis hin zu Zwangsmaßnahmen zur Anwendung kam. Für die Seestadt Rostock/ Brinckmansdorf war das aber scheinbar nicht der Fall. Dem Schreiben ist aber auch zu entnehmen, dass der Reichswirtschaftsminister zu dieser Zeit bereits kräftig am Zurückrudern war, was die Beseitigung der Straßentankstellen in den Innenstädten betraf. Bereits in seiner 3. AO über die Beschränkung des Tankstellennetzes vom 24. Juli 1937 (Deutscher Reichsanzeiger Nr.148/37) machte er bis zum 30. Juni 1939 weitere Genehmigungen von seiner Zustimmung abhängig, übertrug diese aber auf die Landesbehörden, so dass in der Folgezeit neue Tankstellen (auch in Brinckmansdorf) genehmigt wurden, allerdings ausnahmslos Großtankstellen.
4. Weitere Großtankstellen entstehen (1937 bis 1939)
1937 errichtete die Firma Fr. Rubien Kraftfahrzeug und Motoren G.m.b.H. ihre Großtankstelle Petridamm 1a (Nr. 8 ( ab 1939 Ihde & Co)).
Im Jahr 1938 erhöhte sich der Bestand um die neuerrichteten Tankstellen auf den Grundstücken Neubrandenburger Chaussee 10 (Benthin & Bernitt(Nr. 9) sowie Petridamm 22a ( GT Heinrich Niemann, Gasolin bzw. LEUNA). (Nr. 10). Weiterhin gibt es glaubwürdige Zeitzeugenaussagen, dass das Fuhrunternehmen Kröppelin (Petridamm 14) eine Zapfsäule für „rotes ESSO-Benzin“ also der DAPG(Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft) (Nr. 11) betrieb.
Im Jahr 1939 gingen in Brinckmansdorf drei Großtankstellen in Betrieb:Karl Kröger eröffnet im Mühlendamm 16 seine neue Großtankstelle (B.V.-ARAL) (Nr. 12) und auf dem Grundstück Neubrandenburger Chaussee 11 wurde der Bau der neuen B.V.-ARAL Großtankstelle „Weißes Kreuz“ (Nr. 13) abgeschlossen. Das war der Lokalpresse schon mal eine Nachricht wert. (Die neuen Tankstellen erschienen erst im Adressbuch von 1940). Auf dem neu parzellieren Grund Robert-Beltz-Weg 10 wurde die B.V.-ARAL Großtankstelle „Neubrandenburger Tor“ in Betrieb genommen. Die Straßentankstelle vor dem Lebensmittelgeschäft Kröger war mit Eröffnung der größeren und moderneren, nur rund 100 m entfernten Großtankstelle wohl stillgelegt worden, sie wird jedenfalls nicht mehr erwähnt.
Außerdem existiert seit bereits 1937 die Holztankstelle Doll in der Tessiner Chaussee 58, welche die zahlreichen „Holzgasautos“ mit Brennstoff versorgte.
5. ARAL oder SHELL?
Wer also im Sommer 1939 Brinckmansdorf erreichte, hatte eher die Qual der Wahl. Er konnte nicht nur zwischen den Tankstellen mehrerer Anbietern sondern auch zwischen verschiedenen Benzinsorten wählen, da jede Mineralölgesellschaft eigene Vergaserkraftstoffe mit spezifischer Rezeptur anbot, die unterschiedliche Klopffestigkeiten hatten, zudem meist auch noch verschieden gefärbt waren (z. B. das ESSO - Benzin rot, ARAL des Benzolverbandes (B.V.) blau).
Allerdings war es Ende der 1930er Jahre hinsichtlich Klopffestigkeit zu einer gewissen Vereinheitlichung gekommen. Unterschieden wurde zwischen dem sogenannten „Fahrbenzin“ mit 74 ROZ (Oktanzahl) und dem klopffesteren „Aufpreisbenzin“ (78 bis 80 ROZ). Der Liter Fahrbenzin kostete 1939 um die 40 Pfennig, Aufpreisbenzin war 2 Pfennig teurer.
Diese Vereinheitlichung war auch das Ergebnis massiver staatlicher Eingriffe in die kriegswichtige Mineralölindustrie, die für alle im Deutschen Reich tätigen Gesellschaften verbindlich waren. So musste ab 1930 allen Benzinsorten 10% einheimischer Kartoffelsprit zugegeben werden; E 10 ist also keine neue Idee! 1938 erließ der Reichsverkehrsminister eine Verordnung, die festlegte, dass künftig nur Privatfahrzeuge zugelassen würden, die mit Fahrbenzin bis 74 ROZ auskämen. Das klopffestere Aufpreisbenzin wurde weitgehend für die Wehrmacht zurückgehalten und für den Kriegsfall bevorratet, da Panzer- und Flugzeugmotoren Kraftstoffe mit höheren Oktanzahlen benötigten.
Das Mineralölgeschäft dominierten damals 5 Gesellschaften, auch die „Großen Fünf“ genannt. Es waren dies in der Reihenfolge ihres Anteils an den insgesamt 56.000 Zapfstellen im Jahr 1935:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tankstelle
In Klammern stehen die Namen der angebotenen Treibstoffsorten. Im Fall ESSO, Shell und ARAL sind sie inzwischen zu Namen der Unternehmen geworden.
Vier der genannten Gesellschaften waren in Brinckmansdorf nachweislich vertreten. Ob das auch auf die OLEX zutrifft, konnte nicht geklärt, da es nicht in jedem Fall gelang, die Markenbindung der jeweiligen Tankstellen eindeutig zu ermitteln.
6. Von nun ab geht’s bergab! (Sommer 1939 bis 1945)
Im Jahr 1939 waren in Brinckmansdorf also folgende Tankstellen in Betrieb:
- Karl Kröger, Mühlendamm 16 GT B.V-ARAL
- Paul Behrendt, Mühlendamm 26 T DEROP/ARAL
- Rhenania Ossag/SHELL, Neubrandenburger Chaussee 1a GT
- Benthin & Bernitt, Neubrandenburger Chaussee 10
- Friedrich Martens Neubrandenburger Chaussee 11 GT B.V.-ARAL „Weißes Kreuz“
- Alfred Gey, Neubrandenburger Chaussee 24 B.V.-ARAL
- F. Lange, Petridamm 9/10 T Rhenania/Ossag
- Fa. Kröppelin, Petridamm 14 DAPG
- Fritz Börger, Petridamm 22 T
- Heinrich Niemann Petridamm 22a T GASOLIN/LEUNA
- Ihde & Co Büssing- NAG- Verkaufsgesellschaft; Petridamm 1a GT
- B.V.-ARAL GT „Neubrandenburger Tor“, Robert-Beltz-Weg 10
Diese Entwicklung endete schlagartig im Sommer 1939. Mit Kriegsbeginn, d.h. sogar 2 Tage früher! am 30. August 1939, traten einschneidende Maßnahmen auch für die Mineralölwirtschaft in Kraft: Treibstoffe wurden rationiert, die Markenkraftstoffe durch einen Einheitskraftstoff ersetzt und die deutschen Töchter ausländischer Gesellschaften unter Zwangsverwaltung gestellt. Der Oberbürgermeister erließ für die Seestadt Rostock eine entsprechende Verordnung. Bei der Liste der für den öffentlichen Verkehr freigegebenen Tankstellen (in Brinckmansdorf betraf das die TS Kröger Mühlendamm 21/22 sowie Benthin & Bernitt) fällt auf, dass in ihr die neuerrichteten, in Betrieb befindlichen Großtankstellen fehlen. Sie waren offensichtlich Wehrmacht, NSDAP, SS, Polizei usw. vorbehalten.
Da immer mehr private Kraftfahrzeuge für die Wehrmacht requiriert wurden und die Automobilindustrie auf Rüstungsproduktion umstellen musste, reduzierte sich der private und gewerbliche Fahrzeugbestand in der Folgezeit ständig. Bereits am 19. September wurde angeordnet, dass „Wirtschaftsfahrzeuge“ auf Holzgas umzurüsten seien.
Zwar nannte das Adressbuch 1940 noch die bereits 1939 vorhandenen Anlagen sowie erstmals die im Vorjahr in Betrieb gegangenen beiden Großtankstellen (s.o.), ob diese noch alle und in vollem Umfang in Betrieb waren, muss angesichts der genannten Einschränkungen bezweifelt werden. Über mangelnden Absatz nicht beklagen musste sich unter diesen Umständen wohl der Betreiber der Holztankstelle in der Tessiner Chaussee. Immer mehr Fahrzeuge wurden auf Holzgasbetrieb umgestellt, am Schluss liefen LKW und Pkw sogar Beiwagenmotorräder mit „festem Brennstoff“. Deutschlandweit sollen es bei Kriegsende rund 500.000 Fahrzeuge gewesen sein (s. wikipedia.org/wiki/Holzgas).
Im weiteren Verlauf des Krieges verschlechterte sich Versorgungslage bei Kraftstoffen ständig, ab 1942 gab es für Private überhaupt kein Benzin mehr. Die Notausgabe des Adressbuchjahrgang 1943 nannte für Brinckmansdorf zwar noch 9 Anlagen, von denen allerdings einige bereits im Vorjahr den Viertageangriffen vom April 1942 zum Opfer gefallen waren und nicht mehr existierten. Es waren dies die Großtankstelle im Robert - Beltz- Weg 10, sowie die drei Tankstellen am „Weißen Kreuz“ (Mühlendamm 24 und 26, Neubrandenburger Chausse 24 nebst Restaurant „Waldschloss). Weiterhin war die Zapfsäule der Firma Kröppelin im Petridamm 14 ausgebrannt. Wie viele Fahrzeuge in Rostock bei den Bombenangriffen zerstört worden waren, kann nicht ermittelt werden.
Mit dem Kriegsende und dem Einmarsch der Roten Armee im Mai 1945 war der absolute Tiefpunkt erreicht, das Tankstellengeschäft kam völlig zum Erliegen.
7. Kein Sprit, keine Autos- es kann nur besser werden! (1945 bis 1949)
Für die unmittelbare Nachkriegszeit gibt es wenige Informationen zum Betrieb der noch vorhandenen Tankstellen. Diese waren offenbar überwiegend noch funktionstüchtig, wegen des totalen Kraftstoffmangels aber zwangsläufig außer Betrieb. Welche zur Versorgung der wenigen Fahrzeuge liefen und welche evtl. von der Roten Armee für den Eigenbedarf genutzt wurden, lässt sich nicht nachvollziehen. Der Betrieb von privaten Autos und Motorrädern war damit praktisch unmöglich, sonstige Fahrzeuge benötigten eine Genehmigung der Besatzungsmacht.
Auch ist nicht zu ermitteln, wie viel PKWs, LKWs und Kräder bei Kriegsende fahrbereit oder reparabel waren und in der Folgezeit nicht als Reparationsgut eingezogen wurden; eine Sammelstelle der Roten Armee für Beutefahrzeuge befand sich übrigens auf der Holzhalbinsel.
Der erste (und einzige) Nachkriegsjahrgang des Rostocker Adressbuches 1949/50 nannte noch folgenden Bestand:
- Benthin & Bernitt, Neubrandenburger Straße 10
- Fritz Börger, Petridamm 22
- BV.-Aral-Großtankstelle „Weißes Kreuz“, Neubrandenburger Straße 11
- BV.-Aral-Großtankstelle, Robert–Beltz-Weg 10
- Ihde & Co., Petridamm 1a, Großtankstelle
- Karl Kröger, Mühlendamm 16
- F. Lange, Petridamm 9/10
- Deutsche Shell AG, Neubrandenburger Straße 1a
- Hans Doll, Tessiner Straße 58 (Holztankstelle)
Aus unbekannten Gründen nicht genannt, wurde die GT Heinrich Niemann, Petridamm 22a, sie ist aber nachweislich vorhanden und war zu dieser Zeit offenbar aktiv, ebenso die GT Ihde & Co.. Weshalb die ausgebrannte Tankstelle im Robert-Beltz-Weg 10 (Nr. 14) noch erscheint, war nicht zu klären. Sie wurde allerdings 1951 nach Neubau wieder in Betrieb genommen, was umso erstaunlicher ist, als praktisch gegenüber die offenbar funktionstüchtige Großtankstelle in der Neubrandenburger Straße 11 existierte.
Der spärliche Handel mit Mineralölprodukten lief in der Zeit bis 1949 über die Deutsch-Russische Naphta-AG (DERUNAPHT), die bereits 1927 gegründet worden war und die 1946 wiedererstand. Mit Neugründung wurden der DERUNAPHT durch die SMAD (Sowjetische Militäradministration in Deutschland) wesentliche Teile des Tanklager- und Tankstellennetz der damaligen Sowjetischen Besatzungszone übertragen. Kraftstoffe waren streng rationiert.
Es war die große Zeit des Holzgases.
8. Der F 8 - Fahrer tankt MINOL
Ab 1950 gibt es erste Zahlen zum Fahrzeugbestand in der DDR. Nach Kirchberg liefen damals landesweit lediglich 75.000 Pkw (für Lkw und Motorräder fehlen entsprechende Angaben). Bis 1960 stieg deren Zahl auf rund 300.000. Das entsprach 17 Pkw pro 1.000 Einwohner und lag immer noch unter dem Vorkriegsstand. Diese Zunahme war die Folge der zu dieser Zeit (1950) wieder anlaufenden Automobilindustrie und der in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre einsetzenden Importe aus den Staaten des RGW.
Die Anfang der 1950er Jahre produzierten (und importierten) Modelle sind bestenfalls noch dem etwas bejahrteren Zeitgenossen oder dem Oldtimerliebhaber bekannt: Neben den in Zwickau hergestellten IFA F8 und F9 war es der aus Eisenach stammende BMW 340, der aber wegen Protest aus Bayern in EMW 340 umbenannt werden musste sowie der in der Sowjetunion nachgebaute Opel Kadett, der in geringen Stückzahlen als Moskwitsch 402 in die DDR ausgeführt wurde. Auch der eine oder andere GAS M-20 Pobeda kam über die Oder - Neiße - Grenze ebenso die Staatskarossen der Marke GAS/SIM. Während F8 und F9 nun auch von Privaten erworben werden durften, landeten EMW, Moskwitsch und Pobeda fast ausnahmslos in Behörden und (volkseigenen) Betrieben. Bei den Nutzfahrzeugen waren es z.B. die LKWs der Typen H3A, Phänomen und Framo, bei den Motorädern AWO, EMW und RT 125 die in dieser Zeit auf die Straßen kamen.
Zur Versorgung so weniger Kraftfahrzeuge war eine so hohe Tankstellendichte, wie sie zu mindestens auf dem Papier existiert, nicht erforderlich und auf Dauer auch nicht zu halten. Da außerdem die DDR nicht gerade dafür bekannt war, klein- und mittelständische Unternehmen zu fördern, reduzierte sich die Zahl der Anlagen deutlich. So berichtet Herrn Niemann sen. vom gleichnamigen Autohaus, dass sein Vater Heinrich die Tankstelle im Petridamm 22a als Vertragspartner der DERUNAPHT bis etwa 1952/53 betrieb, sie danach stilllegen musste, die Tanks hob und an eine LPG im Raum Neubukow verkaufte.
Der Stadtplan von 1956 zeigte für ganz Rostock (ohne Warnemünde) nur noch 6 laufende Tankstellen. In Brinckmansdorf waren dies die Anlagen Petridamm 1a, Mühlendamm 16 (Kröger) sowie die 1942 zerstörte und 1951 wiedererrichtete TS Robert-Beltz-Weg 10. Die Letztgenannte wurde in der Folgezeit zum Tanklager mit Bahnanschluss ausgebaut.
1956 kam es durch Zusammenschluss der DERUNAPHT und der DKMZ (Deutsche Kraftstoff- und Mineralölzentrale) zur Gründung der MINOL (VEB MINOL), die fortan als Monopolistin den gesamten Handel mit Mineralölprodukten in der DDR abwickelte und damit auch die genannten Tankstellen beliefert bzw. im Fall Robert-Beltz-Weg 10 und Petridamm 1a als sogenannte „Regietankstellen“ selbst betrieb. Hinter diesem Begriff verbarg sich eines der beiden Betreibermodelle, die im Tankstellengeschäft üblich waren. Während die Regietankstelle von der Mineralölgesellschaft auf eigenem Grundstück und mit eigenem Personal betrieben wurde, verkaufte die Vertragstankstelle lediglich deren Produkte, wobei der Lieferant meistens auch die Tanktechnik stellte.
Etwa um diese Zeit muss die Treibstoffrationierung für Private aufgehoben worden sein, für die Gewerbetreibenden und volkseigenen Betriebe galt sie wegen der Planwirtschaft praktisch bis zur Wende.
Als sich zwischen 1960 und 1965 die Zahl der Fahrzeuge mehr als verdoppelt hatte (1965 661.000 Pkw gegenüber 300.000 1960 s.o.), reichten die wenigen laufenden Tankstellen für eine gesicherte Kraftstoffversorgung bald nicht mehr aus. Eine Wiederinbetriebnahme der stillgelegten Anlagen kam meistens nicht in Frage. Diese lagen in der Regel- wie auch in unserem Fall- in der städtischen Bebauung und waren schon von daher für eine Modernisierung/ Erweiterung nicht geeignet. Zudem befanden sie sich durchweg im Eigentum von Privaten und waren technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand (z. B. noch Zapfsäulen mit Handpumpe).
Deshalb legte die MINOL etwa um diese Zeit (1965/66) ein umfangreiches Neubau- und Modernisierungsprogramm auf. So erbaute sie an der F105 (Rövershäger Chaussee 3) und F110 (Tessiner Straße 98) auf „grüner Wiese“ und auf eigenem Grundeigentum Neuanlagen, die sie bis nach der Wende als Regietankstellen betrieb und die heute nach Modernisierung und z. T. standortversetztem Neubau (Tessiner Straße 98) noch laufen.
Als in Folge dessen erst die Tankstelle Mühlendamm 16 (Kröger), dann die TS Petridamm 1a im Jahr 1966 und schließlich 1975 Tankstelle und Tanklager Robert – Beltz - Weg 10 stillgelegt wurden, endete die Ära der „Historischen Tankstellen“.
9. Was ist geblieben?
Der aufmerksame Beobachter findet unter den genannten Adressen und nach Vergleich mit den alten Fotos noch das eine oder andere alte Tankstellengebäude mit seiner typischen Architektur. Das betrifft vor allem die früheren Großtankstellen; die Zapfsäulen der Straßentankstellen sind verschwunden.
Wer am Bahnübergang Neubrandenburger Straße steht, sieht auf den ersten Blick, dass es sich bei der heutigen Rasenmäherwerkstatt um das Gebäude der 1942 ausgebrannten und 1951 neuerbauten ehemalige B.V.-ARAL Großtankstelle „Neubrandenburger Tor“ handelt. Schräg gegenüber (Neubrandenburger Str. 11) erkennt man trotz baulicher Veränderungen (Einhausung des Vordachs) und gelbem Anstrich in der Arztpraxis die ehemalige B.V.-ARAL Großtankstelle „Weißes Kreuz“. Ebenso verhält es sich im Mühlendamm: Die Gebäude des dort ansässigen Gebrauchtwagenhandels waren offensichtlich einmal die Großtankstelle Kröger.
Im Petridamm auf dem Gelände des Autohauses Niemann erinnert das typische Gebäude des dort ansässigen Teilehandels an die alte Tankstelle Heinrich Niemann. Auf dem Grundstück Petridamm 1a wurde die Tankstelleninsel zwar zurückgebaut, die vorhandenen Gebäude von 1938/39 lassen aber noch die frühere Nutzung erkennen.
So gibt es für den Kenner doch eindeutige Hinweise, die an die Blütezeit des Tankstellengewerbes in Brinckmansdorf in der Vorkriegszeit erinnern. Ein alter Tankstellenstandort kann sich auch heute noch dadurch in Erinnerung bringen, dass man bei Bauarbeiten im Straßenbereich „plötzlich und unerwartet“ auf die im Boden verbliebenen Tanks und den einen oder anderen Kubikmeter kontaminierten Erdreichs trifft.
Weitere Quellen:
/1./ KIRCHBERG, PETER: „ Der automobile Mangel- Anmerkungen zu den Grundlagen der Automobilkultur in der DDR“;- Campus- Verlag 1999; Lesefassung http://sowiport.gesis.org/search/id/gesis-solis-00253552
/2./ BINNEBESEL, CHRISTIAN: „ Vom Handwerk zur Industrie- Der Pkw- Karosseriebau in Deutschland bis 1939“;- Dissertation Fakultät I, TU Berlin 2008
/3./ Akten Kreisarchiv Bad Doberan Signatur 189 (2/35/45) betreffend Tankstellen, Genehmigung Ostseebad Brunshaupten
Mündliche Mitteilungen der Zeitzeugen:
1. Herr Ernst Knull, Petridamm 15 (Jahrgang 1927),Mühle Knull
2. Herr Heino Niemannn, Petridamm 2a,(Jahrg.1942), Autohaus Niemann
3. Dr. Klaus- Rudolf Eichner, Heinrich- Grüber- Str.51, 12621 Berlin, (Jahrg. 1938) MINOL/Elf Oil
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