| Der Stadtpark in  Brinckmansdorf von Hans-Heinrich Schimler; Rostocker Zorenappels 5; Verlag Redieck & Schade
 
 "Am Weißen Kreuz kommt gleich der waldige Park. Vornan der  kleine Teich mit hopsenden Fröschen und etwas weiter die schmale, hoch gewölbte  Eisengeländerbrücke über dem Schienenstrang nach Ribnitz. Hinter der Brücke,  etwas bergauf, kamen wir an dem großen Garten- und Tanzlokal ,Schweizerhaus'  vorbei.      Weiter ging es bis an den Waldessaum, hinter dem die Felder  nach Roggentin begannen. Auf dem Rückweg wurde in der kleinen Waldschänke ,Zum Einsiedler'  ein Glas Bier getrunken, im Freien, im Grünen unter Kiefern und Buchen, an den  fest in den Boden gerammten Tischen und Bänken."
 Was Werner Tschirch in seinen Erinnerungen "Rostocker  Leben im Rückblick auf 1900" erzählt, war damals längst zu einem der  beliebtesten Wochenendvergnügen geworden. Der Stadtpark in Brinckmansdorf war  ein viel besuchtes Ausflugsziel vor den Toren der Stadt.Soweit zu ersehen, hatte sich die Stadt 1875 entschlossen,  vor dem Mühlentor an der damaligen Tessiner Chaussee als Gegenstück zu den  bereits gut besuchten Barnstorfer Anlagen einen weiteren, noch näher an der  Stadt gelegenen Park zu schaffen. Am 8. Februar jenes Jahres erhielt  Stadtgärtner Wilcken einen "Situationsplan vom Cassebohmer
 Feldmarkstück für den neuen Stadtpark" zur Prüfung vorgelegt.  Damit ist schon gesagt, dass das dafür vorgesehene Gelände zwischen dem Weißen Kreuz  und den Kramonstannen zum Pachthof Kassebohm gehört. Das Dorf wird 1233  erstmals erwähnt. Nachdem ein Ritter Gerhard es 1288 an zwei Rostocker Bürger  zum Lehen gegeben hatte, kam es später in den Besitz der Moltkes und 1329 endgültig  in Rostocker Besitz.
 Zum Terrain des Dorfes gehörte auch der Kramonsberg. Im  Jahre 1800 begannen sich bis 1805 hinziehende von Förster Hermann Friedrich  Becker angeregte Verhandlungen zur Aufforstung des Berges zum Schutz der  Kassebohmer Äcker. Ein Jahr später konnte mit der Besämung begonnen werden. Die  erforderlichen Tannensamen kamen aus der Lüneburger Heide. Die Kramonstannen, nach  ihrer Lage vor dem Mühlentor auch Möhlendursche        Tannen, erstreckten sich entlang der Tessiner Chaussee vom  späteren Schweizerhaus        aufwärts bis zu den 1921 errichteten Kriegerheimstätten. Sie  sind, wie der Flurnamensammlung des Stadtarchivars Ludwig Krause zu entnehmen  ist, mit den Variationen Cramon, Carmon, Kermon, nach einer Familie benannt. 1830  wurde wegen spärlichen Wuchses entlang der Straße noch einmal nachgesämt.  Besonders an den Straßenrändern, so heißt es, seien junge Pflanzen etwa bei  militärischen Bewegungen niedergetrampelt worden.
 Die Anlage des Stadtparks rückte die Tannen weiter ins  Blickfeld der sonntäglichen Spaziergänger. Flurkarten belegen die sich  entwickelnde Situation. Auf einer Karte von 1853 sind im unteren Bereich am  Weißen Kreuz Parzellen für Rostocker Bürger verzeichnet. Sie reichten bis zum  "Neuen Verbindungsweg mit dem Petridamm", der auf einer Flurkarte von  1870 unter diesem Namen verzeichnet ist. Auch auf ihm sind die Parzellen noch vorhanden.  Der östlich angrenzende Bereich wird als II. Schlag bezeichnet. Bei dieser  Karte handelt        es sich um den "Situationsplan von den successive von  dem zur Rostocker Kämmerei gehörenden Pachthof Cassebohm reservierten und zu  städtischen Zwecken benutzten Flächen, angefertigt Juli 1870 von H.  Saniter". Das anschließende Stück bis zu den Kramonstannen wird als Cassebohmer  Acker bezeichnet. Auf einer Flurkarte von 1874 ist keine Bezeichnung zu  erkennen. In Ludwig Krauses Flurnamensammlung heißt es "Schafweide des        städtischen Pachthofes Kassebohm". An Stelle des am 30.  Mai 1875 verstorbenen Gärtners  Wilcken, den  die Rostocker Zeitung tags darauf als den "technischen Schöpfer der  Rostocker Anlagen" würdigte, wurde der Stadtpark nun nach einem Plan vom  Schweriner Gartenbaudirektor Theodor Klett gestaltet. Ab 1876 erhaltene  Rechnungen belegen            umfangreiche Arbeiten. Etliche Anpflanzungen wurden  vorgenommen und Wege angelegt.        Gesellschaftlicher Mittelpunkt des Stadtparks sollte das  Schweizerhaus werden. In einem Artikel der Rostocker Zeitung vom 6. August 1875  heißt es dazu: "Am Sonntag, den 8. d. Mts., findet nunmehr die Eröffnung  des neu erbauten Schweizerhauses des Herrn Cordua vor den Cramonstannen statt. Über  die Lage desselben können wir uns nur günstig aussprechen. Nicht allein der  schöne Spaziergang dorthin, sondern auch die hübsche freie Aussicht wird  sicherlich große Anziehungskraft üben. Gutes Bier wird uns in Aussicht  gestellt. Die feierliche Einweihung des Locals wird, wie wir hören, am Sonntag,  den 15. d. M., mit freiem Conzert (statt)finden." Gustav Brückner, der  erste Gastwirt, inserierte denn auch am selben Tag: "Das neu erbaute, dem  Brauerei-Besitzer R. Cordua gehörende Restaurations-Local, comfortable eingerichtet,  wird den hochgeachteten Herrschaften der hiesigen Stadt und Umgebung zur  gütigen Beachtung durch unterzeichnete Vertretung bestens empfohlen."  Bierbrauer Cordua hatte seine städtische Adresse am Amberg 14. Ganz so frei ist die Aussicht angesichts des über die  Jahrzehnte üppig gewachsenen        Baumbestandes und der Häuser auf der anderen Straßenseite heute  natürlich nicht mehr. Doch von der Tessiner Straße aus gibt es nach wie vor  einen eindrucksvollen Blick auf Rostock. Das Lokal entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer  der beliebtesten Vergnügungsstätten der Rostocker Bevölkerung. 1960 kam es noch  einmal zu größeren Umbauarbeiten, nach denen es am 29. April 1961 wiedereröffnet  wurde. 1979 wurde das Schweizerhaus schließlich abgerissen. An seine Stelle  trat das Trihotel, in dessen Biergarten es sich sicher ein wenig anders, jedoch  nicht weniger gemütlich sitzen lässt. 1883 errichtete man in den Kramonstannen das von  Werner Tschirch erwähnte Gasthaus "Einsiedler". Auch diese einstige  Pfingstmarktbude erfreute sich, zu einem Gartenlokal ausgebaut, allgemeiner Beliebtheit.  Die Geschichte des Einsiedlers lässt sich jedoch noch gut zwanzig Jahre weiter  zurückverfolgen. Denn schon das Rostocker Adressbuch von 1864 verzeichnete den  Gastwirt F. H. Kindt als Schenkwirt in den Cramonstannen vor dem        Mühlentor. Zwei Jahre zuvor war dieser Kindt noch Schenkwirt  auf Carlshof vor dem Petritor, einem Ausflugslokal, das er an den Gastwirt  Heinrich Moll abgab. Der Einsiedler blieb jahrzehntelang im Familienbesitz. Im  Adressbuch von 1949/50 ist Artur Sobisch als Betreiber verzeichnet. In den  fünfziger Jahren kam auch für den Einsiedler das Ende. An dem von Tschirch beschriebenen Teich spazierte man  parkaufwärts vorbei bis auf den Cramonsberg. Nur die Brücke mit den  Eisengittern gab es zunächst natürlich nicht. Sie entstand mit der 1887  gebauten Ribnitzer Eisenbahn, die quer durch den Park und zu einigen Einschnitten  führte.Zur gärtnerischen Qualität des Stadtparks heißt es in einem  Artikel der Rostocker Zeitung        vom 19. Januar 1902, der Park sei nach "einem Plane des  Gartenbaudirectors Klett-Schwerin ausgeführt, dem namentlich die freie  Durchsicht durch das ganze Gelände vorzüglich gelungen ist. Die Durchquerung  des Stadtparks durch die Stralsunder Eisenbahn (1887/89), vernothwendigte eine Überbrückung  dieses Durchstichs." Seit der 1972/73 in Planung gegangenen Verbreiterung der  Tessiner Straße und dem zweispurigen Ausbau der Eisenbahnlinie in den Jahren  gibt es die alte Fußgängerbrücke nicht mehr. Und auch der Teich ist nicht mehr  da.
 Pläne des Stadtgärtners und späteren Stadtgartendirektors Wilhelm  Schomburg von 1910 sahen die Anlage von Spazierwegen in den Cramonstannen vor.  Am 21. Juli 1912 wurde mit einem festlichen Tag der Fritz-Reuter-Gedenkstein  unterhalb des Schweizerhauses eingeweiht. Nachdem am 2. Januar 1920 der Bau der  Kriegerheimstätten an den Cramonstannen mit einem Spatenstich begonnen wurde,  erhielt die neue wachsende Siedlung        auf der Kassebohmer Feldflur nach einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung  vom 11. April 1921 den Namen Brinckmansdorf.  Aus dem Jahr 1920 liegen Pläne Wilhelm Schomburgs für den  Stadtpark vor. In einem Plan        der großen Spielwiese hinter dem Schweizerhaus sind  Wegebauarbeiten verzeichnet. 1921 legte Schomburg einen Plan des Spielplatzes  beim Schweizerhaus mit zwei Baumreihen vor. Er war die Grundlage für das  Abholzen der Baumreihen, um "dem Verlangen nach geeigneten Spielflächen zu  entsprechen." Im darauffolgenden Jahr wurde der Spielplatz durch Abholzen  der beiden inneren Baumreihen vergrößert. Ein besonders interessantes Kapitel der Geschichte des  Stadtparks ist sicher das Bemühen eines bekannten Rostocker Geschäftsmannes um  eine Rodelbahn. Dazu liegt ein Briefwechsel von 1924 zwischen dem Rat der Stadt  und Hermann Balgé, einstiger Hoflieferant Seiner Königlichen Hoheit des  Großherzogs und als Sport-Balgé sicher vielen Rostockern noch heute in  Erinnerung, vor. Darin geht es um die Anlage einer Rodelbahn sowie die Anregung  zum Spendensammeln für diese Idee. Die Bahn, für die Balgé eigene Entwürfe vorlegte,  sollte über 600 m Länge abwärts mit Überquerung der Eisenbahn und des Teiches  bis zum Weißen Kreuz führen. Der Briefwechsel zwischen der Stadt und Balgé zog  sich über vier Jahre hin. 1927 erneuerte er seine Anregung im Zusammenhang mit  der Parkerweiterung und der Wurmberg-Aufforstung. Er verlegte die Pläne an die Nordseite  des Parks und erhielt dafür auch eine Zustimmung Schomburgs. Die Nordlage sei  günstig, betonte der, weil der Schnee dort unter den Nadelbäumen länger liegen  bliebe. Rodelbahnen im Gebirge seien dafür das beste Vorbild. Umgesetzt wurden  die Pläne nicht. Auch Schomburg hatte einen Entwurf für eine Rodelbahn  vorgelegt. Sie sollte vom Wurmberg zur Eisenbahnlinie herabführen und 380 Meter  lang sein. Der Wurmberg gehörte ursprünglich nicht zum Stadtpark. Er sollte  nach dem Vorschlag einer Ratssitzung vom 8. März 1927 aus dem Besitz des Gutes  Kassebohm zur Vergrößerung des Stadtparks        ausscheiden und in "einfachster Form" aufgeforstet  werden. 8.500 Reichsmark wurden dafür        bereitgestellt. Die erforderlichen Pläne kamen wieder von  Wilhelm Schomburg. Das von ihm entworfene Rondell auf dem Wurmberg ist noch  heute zu erkennen. Der Plan zur Errichtung der Rodelbahn wurde allerdings am  22. August 1927 per Schreiben des Stadtamtsmannes aus Kostengründen abgelehnt.Gerodelt wurde dennoch, etwa auf Bahnen auf den Hügeln beim  Fritz-Reuter-Stein. 1914 ging es dem Kaufmann W. Garthe um deren Pflege. Außerdem  kam der Wunsch nach einer richtigen Rodelbahn auf. 1937 schlug der Bürger  Werner Crull erneut den Bau einer Rodelbahn vor, der ebenfalls abgelehnt wurde.  Auch Pläne für eine Freilichtbühne nach Lübecker Vorbild kamen nicht zustande.
 Am Abend des 2. Juni 1928 brach in der am Rönngraben  unterhalb des Schweizerhauses gelegenen Riedelschen Dachpappenfabrik ein Feuer aus.  Noch bevor ein etwa 800 Meter langer Schlauch vom Verbindungsweg hergelegt  werden konnte, waren das Fabrikgebäude und der Trockenschuppen des 1842 von  Dietrich Riedel an dieser Stelle errichteten Unternehmens vollständig niedergebrannt.  "Beim Eintreffen der Feuerwehr brannte das Fabrikgebäude lichterloh.  Meterhoch schlugen die Flammen und gaben dem Wald ein        gespenstisches Aussehen. Bei dem Wüten des entfesselten Elements  war an eine Rettung des Gebäudes selbst nicht zu denken [ ... ] ",  berichtete der Rostocker Anzeiger über das Ereignis. Pioniere des Rostocker  Reichswehrbataillons sprengten einige Zeit später den stehen gebliebenen  Schornstein. Schon vor diesem Ereignis hatte die Stadt ihr Interesse am  Erwerb der Fabrik einschließlich des Grundstücks zur Erweiterung des Stadtparks  bekundet, wie aus einem Schreiben der Kämmereiverwaltung an das Gartenamt vom  2. Januar 1928 hervorgeht. Am 2. Februar wurde der Vertrag zwischen der Stadt  und Hans Burchard, dem Eigner der Dachpappenfabrik und Nachfahren von Dietrich Riedel,  geschlossen. Ein Jahr später wurde der Räumungstermin auf den 1. April 1929  festgelegt, später jedoch angesichts des strengen Winters bis zum 1. Oktober  verlängert. In einem weiteren Brief zwischen den beiden Ämtern vom 30. Dezember        1930 wird berichtet, dass das Gelände vollständig geräumt  und eingeebnet ist. Lediglich das einstige Verwaltungsgebäude blieb noch lange  als Wohnhaus erhalten und ist erst im Jahre 2000 abgerissen worden. Gute  Erinnerung daran hat noch Erika Ruwoldt. Wohnte die Familie doch fünfundsechzig Jahre lang  in dem Haus (Mietvertrag von 1935). Hans Burchard baute damals an der Petribrücke eine neue Fabrik.  Das traditionsreiche Unternehmen ist an gleicher Stelle als Riedelsche        Dachbaustoffe noch immer eine gute Adresse für  Dachhandwerker und Bauherren. Mit Wurmberg und dem Riedelschen Gelände hatte der Stadtpark  seine größte Ausdehnung erreicht. Durch die Verbreiterung der Tessiner Straße büßte  er wieder an Fläche ein. Beseitigt wurde der sowjetische Panzer, der an die  Befreiung Rostocks durch die Rote Armee erinnerte. 2003 wurde der Rönngraben  renaturiert. Neben zahlreichen Sträuchern, die auf rund 12.000 m² der  Fläche stehen, gehören 20 Baumarten, darunter Ahorn, Esche, Birke, Eiche und Rosskastanie  zum Bestand des Stadtparks. Darüber hinaus gibt es Buchen, Linden, Hainbuchen, Platanen,  Weiden und Ulmen sowie mit der Zweizeiligen Sumpfzypresse und der Kaukasischen Flügelnussgruppe  noch zwei Naturdenkmale. In den Cramonstannen gibt es zwei weitere  Baumnaturdenkmale, eine Vogelkirsche und einen Bergahorn. Die beiden ersten  sind eher botanische Seltenheiten, die beiden anderen besonders alte Exemplare.  Buchen, Ahorn und Eichen machen den größeren Teil des Baumbestandes in den Cramonstannen  aus. Nadelgehölz steht mit Tannen, Kiefern und Fichten nur noch auf zehn  Prozent der Fläche. Welchen Wert die Brinckmansdorfer Parks einschließlich des  Wossidloparks für Rostock        haben, ist besonders gut aus der Ferne zu erkennen. Ein  eindrucksvoller Blick auf den Cramonsberg mit seinen hohen Bäumen in den  Cramonstannen und im Stadtpark ist von der Straßenecke Richard-Wagner-Straße / Beim  Güterbahnhof aus möglich. Vom Petridamm über den Wossidlopark gibt es ebenfalls  eine schöne Sicht.^Top |