Vom Exerzierplatz zu gepflegten Anlagen
Der Wossidlopark
von Hans-Heinrich Schimler
Die Geschichte des Wossidloparks führt uns zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück, wobei sich ein exaktes Datum für die Anfänge nicht ermitteln ließ. Einen Anhaltspunkt gibt ein Brief des Vermessungsamtes an die Kämmerei vom 17. Dezember 1926 zur vorgesehenen Aufforstung des Wurmbergs im gegenüber liegenden Stadtpark.
Dort heißt es: „Die letzten Anpflanzungen für den öffentlichen Verkehr sind in Rostock ungefähr im Jahre 1890 gemacht – es sind damals die „Neuen Anlagen“ nördlich der Tessiner Chaussee in der jetzigen Siedlung Rostock-Brinckmansdorf in Größe von 3 ha angelegt worden……“. Die Rostocker Zeitung vom 19. Januar 1902 schreibt in ihrem damals erschienen Artikel „Die Rostocker Anlagen“, dass die Anpflanzungen vom Stadtgärtner Robert Schramm bewirkt worden seien. Eine Flurkarte aus dem gleichen Jahr zeigt die Begrenzung der lediglich als „Anlagen“ bezeichneten Fläche, ohne detaillierte Darstellungen. Dagegen enthält das „Feldbuch von der Aufnahme der neuen Anlagen beim Schweizerhaus gemessen im Juni 1909 durch H. Wegener“ einen exakten Aufriss der Wege und Parkflächen.
Stadtarchivar Ludwig Krause nahm das Übersichtsblatt zur Flurkarte von Rostock von Stadtingenieur I. Bühring als Arbeitsmaterial für seine Flurnamensammlung. Die mit 1910 datierten Einträge verzeichnen unter den Nummern 110a/b den „Kleinen Exerzierplatz der Garnison draußen vor der Stadt“. Krause hat, wie zu lesen war, dort noch selber das Marschieren gelernt. Der Abschnitt 110b blieb zunächst Ackerland und wurde später mit der Anlage der Siedlung bebaut. Der Abschnitt 110a wurde zu den Neuen Anlagen.
1926 erschienen die Neuen Anlagen erstmals im Stadtplan. Zuvor endeten die Pläne immer schon ein Stück hinter dem Weißen Kreuz.
Verschiedene Nachrichten vermitteln den Eindruck, dass der Park immer mal wieder zu Klagen und Beschwerden Anlass gab. So wird beanstandet, dass seit dem Winter 1928/29 dürre Bäume einen „traurig-verwahrlosten Eindruck“ hinterlassen. Gefordert wurde auch das Aufstellen weiterer Bänke. 1933 gab es größere Aufräumungsarbeiten.
Doch drei Jahre zuvor kam der Name eines berühmten Mecklenburgers für die Anlage ins Gespräch. Im November 1930 war Rostock Ausrichtungsort der Niederdeutschen Wochen. Zu einem Höhepunkt wurde dabei am 8. November die Festveranstaltung in der Aula der Universität, auf der sich auch Stadtrat Heinrich Altvater an die Gäste wandte. In seiner Ansprache verkündete er, dass sich die Stadt entschlossen hätte, die Neuen Anlagen in Brinckmansdorf nach dem Heimatforscher Professor Richard Wossidlo zu benennen. Am selben Tag war bereits ein Brief des Rates der Stadt an Wossidlo abgesendet worden. Der Rostocker Anzeiger berichtete tags darauf ausführlich. In dem von Altvater unterzeichneten Schreiben der Kämmerei und Forstverwaltung der Seestadt Rostock heißt es:
„Hoch verehrter Herr Professor! Im Auftrage des Rates beehre ich mich, Ihnen davon Mitteilung zu machen, daß der Rat beschlossen hat, den neuen Anlagen an der Nordseite der Tessiner Chaussee die Bezeichnung „Wossidlo-Park“ beizulegen. Da der Beschluß auf eine Anregung der Arbeitsgemeinschaft der Heimatverbände für Rostock und Umgebung zurückgeht, haben wir geglaubt, Ihr Einverständnis zu dieser Namensgebung voraussetzen zu dürfen. Wir hoffen auch, Ihnen und allen Niederdeutschen hiermit eine Freude gemacht zu haben. In aufrichtiger Verehrung, Ihr sehr ergebener H. Altvater“.
Die Arbeitsgemeinschaft hatte diesen Vorschlag am 3. November gemacht. Eine entsprechende Ratsentscheidung fiel am 7. November. Damit stand der Ehre nichts mehr im Wege. Keineswegs vergebens war auch die Hoffnung auf die dem Professor bereitete Freude.
Am 17. November ging das Antwortschreiben Wossidlos bei der Stadt ein. Der Professor dankte in überschwänglichen Worten für die ihm zugedachte Ehre. In seinem Schreiben heißt es: „Dem hochverehrlichen Rate sage ich für den Beschluss, den neuen Anlagen an der Nordseite der Tessiner Chaussee die Bezeichnung Wossidlo-Park beizulegen, ergebenen Dank. Seit meiner frühesten Jugend fühle ich mich mit der Warnowstadt besonders eng verbunden, verdanke ich doch den wesentlichen Teil meiner geistigen Ausbildung der Großen Stadtschule zu Rostock, deren damaliger Direktor Krause auch mein Empfinden für heimatliche Dinge in starkem Maße beeinflusst hat, und der Rostocker Universität. Wenn nun zu diesem inneren Band ein äußeres hinzukommen soll, empfinde ich das neben der hohen Ehre, die mir dadurch zu teil wird zugleich als beglückende Freude. Und es ist mir bei meiner Liebe zur Natur und meiner Neigung zu gärtnerischer Tätigkeit eine Freude besonderer Art, dass gerade ein Park – noch dazu in der Nähe des Reuter-Steins und der Brinckmanstraßen - ausgewählt worden ist, meinen Namen zu tragen. Ich nehme die Ehrung, die mir ein neuer Ansporn sein wird, in der Arbeit nicht zu erlahmen hin, in der gewissen Zuversicht, dass die Liebe zur mecklenburgischen Heimat, die mir – um mit John Brinckman zu reden, der General-Rheder in meinem Lebensschiffe war, unter den Bürgern der altehrwürdigen Stadt nimmermehr aussterben wird. In vollkommener Hochachtung Eines Hochverehrlichen Rates Ergebenster Richard Wossidlo“. Der Brief und die Kladde des Professors dazu sind im Stadtarchiv bewahrt. Der Wossidlo-Park war mit diesem Namen erstmals 1932 im Stadtplan zu finden und erschien auch im Straßenverzeichnis des Adressbuches.
Das letzte Rostocker Adressbuch von 1949/50 nennt den Wossidlo-Park und die Wossidlopark-Kolonie mit den Hausnummern 31, 32, 45, 53, 57, 65, 66, 73. Der Bau der John-Brinckman-Schule, die zuvor in Schulbaracken untergebracht war, machte 1961 Teilrodungen im Park erforderlich. Zum botanischen Bestand des Parks gehören Fichten, Eichen, Robinien, Ahorn, Buchen, Hainbuche und einige imposante alte Bergahorne.