Geschichte/
Erinnerungen
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Kaffee-Reimer (Kartenbild © HRO Rostock (CC BY 3.0)) |
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Kaffee-Reimer am Kösterbecker Weg
Die Firma Kaffee-Reimer war bis in die 1970er Jahre in Rostock ein Begriff. Im Geschäft am Hopfenmarkt drehten sich im Schaufenster die großen Antriebsräder der Kaffeemühlen und es duftete nach frischem Kaffee bis auf die Straße.
Vor dem Krieg hatte die Firma Geschäfte am Neuen Markt 26 (eröffnet 1900), im Barnstorfer Weg 2, in der Fritz-Reuter-Straße 52 und der Kröpeliner Straße 41. Im Adressbuch 1949/50 wird die Firma Wilhelm Reimer, Kaffee-Ersatzfabrik und Großrösterei, Kösterbecker Weg 11/12, nebst Lebensmittelgeschäften im Barnstorfer Weg, in der Fritz-Reuter-Straße und am Hopfenmarkt aufgeführt.
Berthold Brinkmann
Erinnerungen ehemaliger Mitarbeiter von Kaffee-Reimer
Aus „Rostocker Kaffee – Eine Bohne macht Geschichte(n)“ von Katja Bülow, erschienen im Verlag Redieck & Schade, 2004
Eine von den größeren Rostocker Kaffeeröstereien unter den kleinen war die von Wilhelm Reimer. Vor den großen Schwungrädern der Kaffeemühlen in seinem Schaufenster haben einst fast alle älteren Rostocker gestanden. Auch die heute 81-jährige Edeltraud Schürer aus Dierkow. Sie kennt das Unternehmen indessen noch von der anderen Seite: Von 1960 bis 1975 arbeitete sie in dem dazugehörigen Lager am Kassebohmer Weg. "Zu sechst haben wir Arbeiterinnen dort die Bohnen verlesen, die aus dem Hafen geliefert wurden", erzählt die weißhaarige Frau. Sie beschreibt die großen Behälter, aus denen der grüne Kaffee über eine Rampe auf das Laufband fiel. "Was wir da alles drin gefunden haben ... Steine, Zigarettenkippen, einmal sogar einen Ring. Den hat wohl ein Pflücker bei der Ernte verloren." Nach dem Verlesen gingen die Bohnen weiter zum Röster nebenan. Willy Brasch war der letzte Kollege, der dort schaltete und waltete. Und Edeltraud Schürer schwärmt: "Bei ihm hat es immer geduftet ... toll war das!"
Wieder in einem anderen Raum wurden die braunen Bohnen in ein Bassin geschüttet und eingetütet. "Zwei haben immer abgewogen, zwei die Tüten zugemacht. Drei Kilo kamen da rein." Ab ging's mit den abgepackten Waren in die Verkaufsstellen. Auch dort hat Edeltraud Schürer ab und zu gearbeitet. Anstelle der blauen Lagerkittel trug man hier die schicken weißen, statt Staub und Lärm war man umgeben von Bonbons, Schokolade und Kaffee. Die junge Frau schuftete trotzdem lieber im Lager. Denn sie war Mutter von zwei Kindern und wohnte selber im Kassebohmer Weg. Von 8 bis 16 Uhr dauerte die reguläre Arbeitszeit, doch in der Mittagspause schaffte es Edeltraud Schürer immer noch schnell, zu Hause den Ofen anzuheizen.
"Reimer war ein guter Chef", urteilt sie. Wobei sie einräumt: "Ihn haben wir selten gesehen, aber seine Frau kam oft nachmittags zu uns ins Lager, hat ein bisschen mitgeholfen und mit uns geklönt. Dann waren wir natürlich alle noch viel flinker als sonst." Geplaudert hätten die Arbeiterinnen damals viel, obwohl die lauten Maschinen das nicht gerade leicht machten.
Damit das Sortieren und Eintüten nicht zu langweilig wurde, wechselten die Frauen sich regelmäßig ab. Kaffee durften sie dabei trinken, soviel sie wollten. Und zu Weihnachten oder Pfingsten gab's auch mal ein Päckchen mit nach Hause.
"Einmal", so erinnert sich die Dierkowerin, "gab es sogar einen Betriebsausflug zur Rösterei Kermi nach Stralsund. Da haben wir gestaunt, die brauchten nicht zu verlesen, das ging alles elektronisch!"
Weshalb das offenbar so erfolgreiche Unternehmen Kaffee Reimer schließlich vom Markt verschwand? Edeltraud Schürer wiegt den Kopf: "Erst starb er, dann sie. Danach hat Kermi alles übernommen und nach Stralsund gebracht." Die Arbeiterin, die vor ihrer Zeit im Kaffeelager im Standesamt gearbeitet hat, wurde später Telefonistin beim Ingenieur-, Tief und Verkehrsbaukombinat. Sie zuckt die Schultern und kommentiert: "Mir war egal, was ich gemacht hab. Hauptsache war es, ein bisschen Geld zu verdienen." Ob sie ein Kaffeeliebhaber sei? Die alte Dame lacht: "Ich hab als Kind schon Kaffee getrunken und bis heute überlebt. Erst jetzt vertrag ich echte Bohnen nicht mehr."
Dietrich Dube hat als Schüler nach 1945 bei Kaffee Reimer geholfen, Säcke zu entladen. "Deren Rösterei war am Kassebohmer Weg, da wo auch mal die Autowerkstätten von IKN (Industriekooperative Nord) waren." Den eigenen Bahnanschluss hatte das Unternehmen vor der Tür. Und wenn der Rohkaffee kam, dann waren kräftige Helfer gefragt. Dube erzählt: Die Eltern eines Freundes waren mit Reimers befreundet und der hat mich dahin mitgenommen." Noch heute, im Alter von 72 Jahren, erinnert sich der Rostocker: "Schwer war das Zeug! So ein Sack, in dem sonst ein Zentner drin ist, der wog bestimmt 1,5 Zentner." Ach ja, und mit der Tochter von Kaffee-Böttcher ist der Mann einst gemeinsam zur Schule gegangen.
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