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Die Lektüre alter Zeitungen bringt gelegentlich Lesefrüchte, mit denen man so gar nicht gerechnet hat. Dazu zählt ganz sicher der hier vorgestellte Text aus dem „Rostocker Anzeiger“ des Jahres 1939.
Die Redaktion verweist als Quelle auf den Nachlass des Rostocker Stadtarchivars Dr. Ernst Dragendorff, der Ende März 1938 gestorben war.
Ernst Dragendorff, geboren am 27. Juli 1869 im estnischen – damals russischen - Dorpat (Tartu), war der älteste Sohn des aus Rostock gebürtigen Pharmazeuten Georg Dragendorff, der seit Anfang der sechziger Jahre in der Universitätsstadt ansässig war. Er studierte Geschichte an den Universitäten in Heidelberg, Dorpat und Berlin, wo er 1894 zum Dr. phil. promoviert wurde. Dragendorff war von 1905 bis 1936 als Nachfolger von Karl Koppmann Archivar der Hansestadt Rostock und verfasste zahlreiche Schriften zur Geschichte Rostocks und der Hanse. Er war seit 1905 Vorstandsmitglied des Vereins für Rostocks Altertümer.
Wichtige Hinweise zu dem Gartenlokal „Einsiedler“ verdanken wir Hans-Heinrich Schimler, der im Zusammenhang mit dem Stadtpark und mit den Erinnerungen von Werner Tschirch auf das Etablissement aufmerksam machte.  In der hier beschriebenen Form existierte es wohl seit 1883 in den Cramonstannen als Bestandteil des Stadtparks.
Dass wir uns hier dem Text aus dem „Anzeiger“ mühelos zuwenden können, verdanken wir unserem IG-Mitglied Jürgen Voß, der aus der Vorlage in zeitgemäßer Frakturschrift und zudem mit der Vergilbung von mehr als einem dreiviertel Jahrhundert technisch einen nun gut lesbaren Artikel gemacht hat. Das ist nicht nur wegen der enthaltenen Informationen sehr erfreulich sondern nicht zuletzt deshalb, weil den Dragendorffschen Aufzeichnungen selbst eine gewisse literarische Qualität durchaus zuzugestehen ist.

Dr. Joachim Lehmann

Einst im „Einsiedler” zu Rostock

In dem Nachlaß des im vorigen Jahre gestorbenen Leiters des Archivs der Seestadt Rostock, Dr. Dragendorff, wurde ein Manuskript gefunden, in dem Dragendorff über seine Erlebnisse im „Einsiedler“ plaudert. Der „Einsiedler" ist eine kleine Gaststätte im Stadtpark. Wir veröffentlichen nachstehend das Manuskript.

Ich habe den „Einsiedler" seit Jahren nicht aufgesucht. Es war die Scheu, Erinnerungen wach werden zu lassen, Vergleiche zu ziehen zwischen einst und jetzt. Und doch kommen Stunden, da Vergangenes - scheinbar ohne Anlaß - lebendig wird. Dann taucht wohl auch das Häuschen im Walde bei Brinckmansdorf vor mir auf, dessen Keller ein vergrabener Schiffsrumpf und dessen Gaststube nicht mehr ist als eine dauerhaft und heizbar gemachte Pfingstmarktbude – das Häuschen und die Leute, mit denen ich dort verkehrte und der Weg hinauf in Sommer- und Winterstimmung, bei Sonnen- und Mondlicht und bei Sturm und Regen.

Meine letzten regelmäßigen „Einsiedler“-Besuche durfte ich während der ersten Nachkriegsjahre mit Heinrich Burmeister, dem Rostocker Lehrer und Meister des Plattdeutschen, machen. Ich war mit diesem bei aller Schlichtheit vornehmen, von tiefster Heimatliebe beseelten Mecklenburger erst in seinen letzten Lebensjahren in freundschaftliche Beziehungen gekommen. Er war ein Kenner unserer Volkssprache, von einem Feingefühl ohnegleichen und ein Sprecher, dessen Mund jedes Wort unserer plattdeutschen Dichter zu einem musikalischen Erlebnis machte. Manchen Sonnabend, nachmittags, bin ich mit ihm den Weg über den Mühlendamm und durch den Stadtpark zum „Einsiedler“ hinaufgewandert, und wir haben dort eine Reihe von Freunden getroffen, die gleich uns in der Vertiefung der Heimatpflege Trost suchten. Im Mai des Jahres 1922 haben wir dann Heinrich Burmeister zu Grabe geleitet – nach schwerem, mit Würde getragenem Leiden. Auch Ludwig Krause und Hermann Peek, die jenem Kreise angehörten, sind nicht mehr unter den Lebenden. Ich selbst bin ungeselliger geworden und komme immer seltener aus der Stadt hinaus.

Aber es gab eine Zeit, wo das anders war, als man noch nicht das Alleinsein als etwas Erstrebenswertes ansah, als man noch „im Werden war“. Damals – in dem Jahrzehnt vom Herbst 1894 bis in den Beginn des Jahres 1905 – war es der Ratsarchivar Karl Koppmann, dessen väterliche Führung meinem späteren Leben die Richtung gab und dem ich auch die erste Bekanntschaft mit dem „Einsiedler“ verdanke. Durch ihn ist mir der Weg dorthin, den er täglich – bei jedem Wetter – einschlug, zu einer geweihten Strecke geworden.

So oft ich Dürers Stich „St. Hieronymus im Gehäuse“ sehe, muß ich an meinen väterlichen Freund denken. Zwar gab es Löwen und Hunde weder in seinem Arbeitszimmer daheim, noch in den engen Räumen des alten Archivs im Rathause. Auch die übrige Ausstattung des Raumes, in den der Künstler seinen Heiligen versetzt, ähnelt nicht dem „Bücherkauf“, den Aktenstößen, von denen mein alter Freund „beschränkt“ zu sein pflegte. Und doch -! Ist es der bärtige Greis in seiner Arbeitsversunkenheit? Ist es der Sonnenschein, den ich an so manchem Morgen auch seinen Scheitel umspielen sah? Ist es das friedliche Behagen, das über dem Bilde liegt? Ich kann´s nicht sagen. Aber meine Erinnerung an Koppmann ist einmal damit verknüpft – die Erinnerung an seine, an gemeinsame Arbeitsstunden!

Es war Sonnenschein in diesen Stunden. Nicht nur zu nutzen wußte er sie – auch zu genießen. Nicht tote Buchstaben fand er auf den Pergamenten und Papieren. Es waren Spuren einstigen Lebens, die hier unter seinen Augen ihre Auferstehung feierten. Und wenn er das Erarbeitete weitergab, so wusste er auch den trockensten Stoff durch seines Geistes Hauch zu verklären.

Wer Koppmann gekannt hat, weiß, daß die zu seiner Zeit übliche „befrackte“ Geselligkeit ihm die Erholung nicht bieten konnte, die auch er brauchte, wenn er sein in den Morgenstunden in Angriff genommenes tägliches Arbeitsmaß hinter sich hatte. Für ihn war der „Einsiedler“, waren die Gäste, die dort verkehrten, der gegebene Stammtisch.

Es war eine recht wunderlich gemischte Gesellschaft – zum Teil unvergeßliche Gestalten. Der weißbärtige Handwerksmeister mit den humorvoll leuchtenden Augen, der so behaglich Geschichten erzählen konnte und jeden Neuling mit liebenswürdiger Unverfrorenheit durch seine Kartenkunststücke hereinlegte! Der alte Maler, Photograph und Naturforscher, der letzte Kenner unserer heimischen Vogelwelt, ein winziges, etwas schwerhöriges Männchen. Gern gab er seine Jagderlebnisse zum besten – auch eine Rattenjagd, an der er als junger Mensch auf dem Hausboden seines Lehrmeisters teilgenommen. Jagdgeschichten sind ja bekanntlich keine Zeugenaussagen, aber was er mit leiser Stimme und feinem Lächeln berichtete, war von Humor durchwoben, und die tiefe Naturliebe, die er immer wieder verriet, ließ es auch entschuldbar erscheinen, wenn es auf seinen Landschaftsbildern mehr als unbedingt erforderlich vor Blumen und Getier wimmelte. Und weiter: Der alte Lehrer, der jeden Ankommenden in etwas aufdringlicher Weise auszufragen und zu veranlassen suchte, einen „Bittern“ auszugeben, und der, wenn ihn seine liebe Frau nicht vorsichtigerweise begleitete, auf dem Heimwege gern noch einige weitere „trinkbare“ Haltestellen besuchte. Dann: der talentvolle Herr, dessen Tagesarbeit in kunstgerechtem Kitten und Nieten zerbrochener Porzellan- und Glassachen bestand, und der dann abends auf der Ziehharmonika zum Tanz spielte, eine Art der Tanzmusik, die vor Erfindung des Grammophons auch in den „besten Kreisen“ als durchaus standesgemäß galt. Unvergeßlich ist mir, daß ich ihn einst in dem Garten eines unserer Gasthäuser, sein Instrument spielend, eine Polonaise anführend sah. Daß in einem solchen Kreise an der Wasserkante der alte Seemann nicht fehlte, ist eigentlich selbstverständlich. Doch konnten die beiden Vertreter dieses Standes, die ich im „Einsiedler“ kennenlernte, kaum als besonders typisch gelten. Denn wenn man vom Jäger Jagdgeschichten erwartet, so erwartet man vom Seemann die Erzählung von Reiseerlebnissen, und man hat sich, wie bei jenen, daran gewöhnt, auf die tatsächliche Wahrheit zugunsten der allenfalls selbstgeglaubten, jedenfalls aber unterhaltsameren zu verzichten.

Die beiden alten Seeleute aber, die im „Einsiedler“ verkehrten, waren anders. Sie sprachen nicht viel. Von dem einen habe ich den Eindruck gehabt, daß das, was er sagte, klar und klug war. Und das muß wohl auch so gewesen sein. Denn ihn benutzte Koppmann gern, wenn er sich für seine wissenschaftlichen Arbeiten über seemännische Dinge unterrichten wollte. Von dem zweiten alten „Kaptein“, den ich nur selten und dann nur am Anfang meiner „Einsiedlerzeit“ gesehen habe, erinnere ich mich kaum eines Wortes. Desto mehr wurde hinter seinem Rücken über ihn geredet. Böse Zungen behaupteten, daß er auf seinen Reisen reichlich viel für eigene Rechnung gefahren sei, daß er es verstanden habe, durch Sturm und Wetter immer gerade dahin verschlagen zu werden, wo ihn seine Reeder nicht suchten, oder daß er mit günstigem Winde gerade in dem Augenblick den fernen Hafen verlassen habe, wenn eine für ihn bestimmte Nachricht dort einlief. Auch schöne Frauen und vierspännige Kutschen sollte er an Bord gehabt haben und anderes mehr. Wieviel Wahrheit an diesem Gerede war, weiß ich natürlich nicht. Die hohe, ehrfurchtgebietende Erscheinung aber ließ eher einen im Dienst ergrauten hohen Beamten vermuten als einen ausgedienten, wenn auch neuzeitlichen Seeräuber. Zwei echtere Vertreter entsandte die Landseite zum „Einsiedler“. Der eine, der Schulze des nächsten Dorfes, ganz selbstbewußter Sonnenschein, der andere schlau in sich hineinlächelnd, so daß er immer den Eindruck erweckte, als habe er gerade ein sehr vorteilhaftes Geschäft gemacht.

Die Hauptzeit des „Einsiedlers“ waren die Nachmittagsstunden, für Koppmann die späteren Nachmittagsstunden. Ausnahmsweise aber fanden auch abendliche Zusammenkünfte dort statt, oder vielmehr: man verlängerte gelegentlich die Nachmittagssitzungen bis nach Mitternacht. Die Veranlassung hierzu gab die Notwendigkeit, die zumeist bei volkstümlichen Kartenspielen gefüllte gemeinsame Kasse eines Teils der Stammgäste vor dem Überfließen zu bewahren. Bei solchen Gelegenheiten konnten auch Einladungen ergehen, und so habe ich wiederholt als Gast mitmachen dürfen.

Besonders beliebt war es ja bei uns, einen derarten Kassenaderlaß durch ein Gänsebratenessen zu bewirken. Und diese landesübliche Sitte galt auch im „Einsiedler“. Oder ist mir diese Form des Essens nur deshalb fester im Gedächtnis geblieben, weil sie mir damals als besonders passend erschien? Es gibt ja gewiß für Genießer und – Schwächlinge noch Besseres als eine gebratene Gans. Aber es ist doch etwas Eigenartiges gerade um sie. Wenn jeder Braten, der ganz auf den Tisch kommt, dazu beiträgt, die Geschlossenheit der Tafelrunde zu betonen, so gilt das vom Gänsebraten in erhöhtem Maße. Er hat etwas Festliches an sich, etwas, das für einen Augenblick Ruhe zu gebieten scheint. Es ist das eine Eigenschaft, in der er wohl nur von einem großen, unzerlegt aufgetragenen Fisch erreicht, allerdings auch übertroffen wird, weil dieser noch „ganzer“ ist. Aber die Gans wirkt wärmer, ist volkstümlicher, kurz: sie bildete einen guten Mittelpunkt gerade für die „Einsiedler“-Abende.

In unserer gesegneten, gesunden Gegend ist und war in alter Zeit erst recht das Essen eine wichtige Angelegenheit, ein sehr ernstes Vergnügen, das man mit einer gewissen feierlichen Würde in Angriff nahm. Die Wirtin, eine stille, nicht mehr junge Witwe, aß mit. Ihre Gesundheit auszubringen, lag wiederholt mir als dem Jüngsten ob. Daß ich dabei viele Worte gemacht, ist nicht anzunehmen, um so weniger als das wohl die ersten Tischreden gewesen sind, die ich überhaupt gehalten habe. Im übrigen wurde zunächst nicht viel gesprochen. Man hatte Wichtigeres zu tun. Doch alles hat ein Ende, auch ein Gänsebraten! Und in dem Maße, als er dahinschwand, schwand auch die Feierlichkeit der Anfangsstimmung, um größerer Lebhaftigkeit Platz zu machen. Jeder kam mit seinen Geschichten, es gab in diesem Kreise immer etwas zu erzählen. Koppmann war und blieb der geistige Mittelpunkt, obwohl er unter den anderen wohl die Haupterzähler waren. Seine schlagfertigen Zwischenbemerkungen aber unterstrichen alle Hauptpunkte, alle Schlager der Unterhaltung, die die verschiedensten Gegenstände berührte, ohne durch übertriebene Tiefe die Gemütlichkeit zu stören. Ernst und Scherz kamen zu ihrem Recht, auch wohl einmal ein derber Scherz. Nur Unreines gedieh nicht in Koppmanns Gegenwart. Wie an diesem Felsen zerschellte es an der Kinderseele dieses Mannes. Er verstand es nicht, wollte es nicht verstehen, und das Ansehen, das er genoß, ließ so leicht keinen die Rücksicht auf ihn vergessen.

Daß eine derartige Abendsitzung unter deutschen Männern möglich gewesen wäre, ohne daß auch das Lied zu seinem Recht gekommen, wird niemand annehmen. Und nie ist mir die Macht des Gesanges so handgreiflich erschienen, wie bei meinem alten Freunde. Denn obwohl er gänzlich unmusikalisch war, so versetzte ihn das Singen doch stets in eine auf den Tisch hauende Begeisterung, wie ich sie nur bei ihm erlebt habe. Es war, als ob sich in solchen Augenblicken seine ganze sonst gebändigte Leidenschaft austoben müßte.

Den Schluß der Feier bildete regelmäßig Kaffee mit „Napoleonshütchen“, einem nach seiner Form so benannten Gebäck. Und dann kam das Nachhausegehen, das nach solcher Sitzung, durch den Wald und auf abschüssigem Boden, nicht ganz leicht war. Ich erinnere mich, daß ich einmal bei einer solchen Gelegenheit – an einem Arm einen recht schweren, am andern einen besonders leichten alten Herrn – den ziemlich steilen Weg hinab mußte – und das bei Glatteis. Aber Kinder und – nicht ganz nüchterne Leute haben ja einen besonderen Schutzengel, und so ging es auch damals ohne Schaden.

So waren die „Einsiedler“-Abende. Aber, wie schon gesagt, die eigentlichen Glanzzeiten des einsamen Häuschens waren die Spätnachmittage, Es verging kaum einer, an dem Koppmann dort nicht zu treffen gewesen wäre. War es der Weg, der ihn lockte? War es das von allem Neuzeitlichen, allem Modischen unberührte Stübchen? Oder die eigenartig gemischte, in ihrer Zusammensetzung vielleicht einzigartige Gesellschaft? Oder war es – wenn auch nur im Unterbewußtsein – die Hoffnung, daß die anderen Gäste früher nach Hause gehen und daß man dort zu Zeiten auch einmal eine Feierstunde des Alleinseins genießen könne? Des Alleinseins, das für jeden, in dem etwas lebt, so Großes bedeutet und doch ein Widerspruch in sich selbst ist. Denn für solche gibt ein Alleinsein ja nicht, wohl aber eine ungestörte Einkehr in Kreise, einen ungestörten Umgang mit Geistern, die sonst vor dem Lärm des Alltags fliehen. Auch Koppmann war in diesem Sinne nie ganz allein. Wenn sich die Gaststube des „Einsiedlers“ geleert hatte, dann war es ein ganz Großer, der sich zu ihm gesellte – Herr Walther von der Vogelweid´, dessen Lieder und Sprüche er stets bei sich trug, und die mit eigenen neudeutschen Worten wiederzugeben, ihm in solchen Stunden Uebung und Freude war.

Und dann der Heimweg, der oft mühsam mit der Laterne im Walde gesucht werden mußte, wenn er nicht auch vom Himmel selbst beleuchtet wurde. „Ich weiß nicht, woran es liegt, daß auf dem Heimweg alles noch schöner ist als vorher“, konnte mein alter Freund wohl sagen. Und nie vergesse ich die Ergriffenheit, mit der er, stehenbleibend, auf die zarten Schatten hinwies, die entlaubte Aeste auf den mondhellen Schnee malten. Und ich habe seine Naturergriffenheit ja nicht nur auf dem „Einsiedler“-Wege gefühlt; wir haben auch andere schöne Stellen Deutschlands auf gemeinsamen Reisen genossen.

Erwecklich war es, wie der in der wissenschaftlichen Welt Hochgeachtete sich unter seinen täglichen Zechgenossen ohne „standesgemäßes“ Vorurteil der Eigenart eines jeden erfreute. Schöner aber waren doch die Stunden, in denen man ihn ganz für sich hatte, am schönsten vielleicht die, in denen das junge Herz ein älteres brauchte, das – trotz mancher unerfüllter Wünsche – jung geblieben war und voll tiefen Mitgefühls. Heilig ist die Erinnerung an jene Stunde, da ich ihn im Lübecker Ratskeller bat, mit mir ein Glas des Weines, der nach „Unserer lieben Frau“ genannt wird, zu trinken auf das Wohl der Einen, die mir gehören sollte, und jener Augenblick, da er mich auf steiler Höhe am Meer umarmte, nachdem ich sie ihm zum ersten Male gezeigt. So ist mir vieles – Alltägliches und Feiertägliches – geadelt durch ihn – das Blicken in die Vergangenheit, auf die Mitmenschen und in die Natur, die Frauenliebe, der sein – leider ungestilltes – Sehnen in dem Liede „Dat blaw Blomelyn“ so wunderschöne Worte fand, und auch ein guter Tropfen in Erinnerung geblieben. Und wenn es im Glase geheimnisvoll aufleuchtete, so kann es wohl sein, als träfe mich ein Blick seines strahlenden Auges und zwänge mich, einen Trunk zu tun zu seinem Gedächtnis.

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